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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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gleich tun würde.
    »Scheiße!« Sie keuchte, als das Seil ihr plötzlich durch die Hand rutschte und sich um ihren Unterarm straff zog, so dass sie es gerade noch festhalten konnte. Blut in den Hanffasern, vermischt mit dem aufgewühlten Wasser, Gischt im Gesicht, nasse Haare und dazu das angsterfüllte Gebrüll der Tiere und das panische Geschrei von Majud.
    Der Wagen rutschte, knirschte, wurde beinahe weggespült und kippte fast um. Dann fand das erste Tier wieder einen sicheren Stand, und Savian schlug ihm aufs Fell und brüllte, Scheu zerrte mit durchgestrecktem Rücken, zerrte und zog, das Seil schnitt ihr in den Arm, das Pferd erschauerte unter ihr. Ein kurzer Blick auf das andere Ufer, auf winkende Menschen, und ihre Rufe, ihr Atem und die stampfenden Tiere vermischten sich zu einem hallenden Dröhnen in ihrem Schädel.
    »Scheu.« Lamms Stimme. Und dann legte sich ein starker Arm um ihre Schultern, und sie wusste, dass sie loslassen durfte.
    Wie damals, als sie vom Scheunendach gefallen war und Lamm sie aufgehoben hatte. »Jetzt ist alles gut. Ganz ruhig.« Wie die Sonne durch ihre Augenlider geblinzelt und es in ihrem Mund nach Blut geschmeckt hatte, aber keine Angst mehr da gewesen war. Wie er Jahre später die Brandwunden auf ihrem Rücken versorgt hatte. »Das wird schon wieder. Das wird schon wieder.« Und wie sie zum Hof zurückgekommen war nach der schwarzen Zeit, die sie sich draußen herumgetrieben hatte, ohne zu wissen, was sie vorfinden würde oder wen, und wie sie ihn da hatte an der Tür sitzen sehen mit demselben Lächeln wie immer. »Schön, dass du wieder da bist«, als ob sie erst vor Kurzem gegangen sei, bevor er sie fest in die Arme genommen hatte und sie das Prickeln der Tränen unter den geschlossenen Lidern spürte …
    »Scheu?«
    »Uff.« Lamm setzte sie am Ufer ab, und verschwommene Gesichter um sie herum wurden flackernd klar.
    »Ist alles in Ordnung, Scheu?«, rief Lief herüber. »Geht es ihr gut?«
    »Lass sie mal ein bisschen in Ruhe.«
    »Lass sie erst mal Luft holen.«
    »Ich hole doch Luft«, keuchte sie, wehrte die grapschenden Hände ab, kämpfte sich in eine sitzende Haltung, ohne zu wissen, was geschehen würde, wenn ihr das wirklich gelang.
    »Solltest du nicht besser noch eine Weile still liegen bleiben?«, fragte Lamm. »Du musst doch ganz …«
    »Mir geht’s gut«, fuhr sie ihn an und schluckte, um nicht zu kotzen. »Das hat meinen Stolz ein bisschen angekratzt, aber das heilt schon wieder.« Der hatte sowieso schon genug Schrammen. »Hab mir den Arm aufgeschürft.« Sie zuckte leicht, als sie sich den Handschuh mit den Zähnen abzog. Jedes Gelenk in ihrem Arm puckerte, und sie stöhnte, als sie die zitternden Finger bewegte. Die Verbrennung, die das durchrutschende Seil verursacht hatte, hatte eine Spur aus rohem Fleisch hinterlassen, die sich um ihren Unterarm ringelte wie eine Schlange um einen Ast.
    »Ziemlich übel sogar.« Lief schlug sich gegen die Stirn. »Meine Schuld! Wenn ich nur …«
    »Da hat niemand Schuld außer mir selbst. Ich hätte das verdammte Seil loslassen sollen.«
    »Ich zumindest bin dankbar, dass Sie das nicht getan haben.« Majud hatte tatsächlich irgendwann die Hände vom Kutschbock gelöst. Jetzt legte er Scheu eine Decke um die Schultern. »Ich bin alles andere als ein guter Schwimmer.«
    Sie sah mit zusammengekniffenen Augen zu ihm hoch, und das brachte das Brennen hinten in ihrer Kehle zurück, daher guckte sie lieber wieder auf den nassen Kies zwischen ihren Knien. »Haben Sie sich schon mal gefragt, ob es ein Fehler sein könnte, eine Reise über zwanzig Flüsse unternehmen zu wollen, über die es keine Brücke gibt?«
    »Jedes Mal, wenn wir einen überqueren. Aber was kann ein Kaufmann schon tun, wenn er auf der anderen Seite ein gutes Geschäft wittert? So sehr ich solche haarigen Augenblicke hasse, den Profit liebe ich.«
    »Genau das, was wir hier draußen brauchen.« Süß drückte sich den Hut wieder fest auf den Kopf, als er aufstand. »Noch mehr Gier! Na gut. Die Aufregung ist vorbei, ihr Lieben, sie lebt noch! Lasst uns die Tiere ausspannen und wieder hinübertreiben, die restlichen Wagen werden nicht von selbst hierherfliegen!«
    Corlin schob sich mit einer Tasche in der Hand zwischen Lamm und Lief hindurch und kniete sich neben Scheu, nahm deren Arm und betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Sie ging mit einer so wissenden Miene zu Werke, dass man gar nicht auf den Gedanken kam, sie zu fragen, was sie da eigentlich

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