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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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kaum etwas bei sich, gelang es ihnen sogar.
    Nieseln und kräftiger Regen wechselten sich ab. Als alle drei völlig durchgeschwitzt waren, zogen sie die Regensachen aus und stopften sie in ihre Rucksäcke. Der Regen spülte den Schweiß weg, bis ihnen das Wasser über Gesichter und Arme rann. Wasser tropfte auch von den Bäumen, und die Stille im Wald wirkte bald nicht mehr geheimnisvoll, sondern bedrückend. Ruick führte sie unwegsame Hänge hinunter in Richtung McDonald Creek. Die drei bis fünf Meter hohen Erlen standen so dicht, dass sie auf allen vieren kriechen mussten, bis ihre Vorderseiten mit Schlamm verkrustet waren.
    Von Rory Van Slyke und dem Bären fehlte jede Spur.
    Der Funkverkehr aus den übrigen drei Quadranten, zwei östlich im verbrannten Gebiet, der dritte nordwestlich auf der anderen Seite des West Flattop Trail, verriet ihnen, dass auch die dortigen Suchmannschaften kein Glück gehabt hatten.
    Kurz nach sechs Uhr abends machten sie Rast und aßen die von den Reitern mitgebrachten Sandwiches. Ruick war genauso nass und schmutzig wie Anna und besaß zum Glück sogar den Anstand, auch so erschöpft zu wirken wie sie. »Noch eine Stunde«, verkündete er. »Dann wird es dunkel. In einer Stunde kehren wir zurück zu Ihrem Lagerplatz.« Anna senkte den Blick auf ihr Käsesandwich, damit er ihren erleichterten Gesichtsausdruck nicht bemerkte.
    Joan war da weniger eitel. »Gut«, sagte sie. »Meine Hunde bellen schon.« University of Minnesota, fiel Anna ein. Hunde waren Füße, bellen bedeutete müde. Woher diese seltsame Ausdrucksweise kam, hatte sie noch nicht ermitteln können.
    Harry Ruick gab den anderen per Funk durch, wann sie die Suche beenden würden. Dann rappelten sie sich mühsam auf, um eine weitere Stunde zu rufen, durch den Schlamm zu kriechen und auf den verdammten Dauerregen zu schimpfen.
    Die letzte Stunde schleppte sich dahin. Dass Anna die Marotte entwickelt hatte, alle paar Minuten auf die Uhr zu schauen, ließ die Zeit noch langsamer vergehen. »Jetzt ist es genug«, sagte Ruick schließlich. Sie machten sich auf den Rückweg. Er hatte sich für eine gründliche und personalintensive Suchmethode entschieden. Außerdem strotzte das unwirtliche Terrain von Verstecken, weshalb sie sich in all der Zeit nur vier Kilometer vom Lagerplatz entfernt hatten.
    Als sie sich der Lichtung näherten, hörte der Regen auf. Die Wolken im Westen lichteten sich und ließen einen orangefarbenen Schein hindurchschimmern, der Annas Stimmung ebenso besserte wie der Gedanke an trockene Kleider und heißen Kakao.
    Joan konnte das alles nicht aufheitern. Anna kam zu dem Schluss, dass die Forscherin nicht ichbezogen genug für Rettungsaktionen war, als sie beobachtete, wie sie mit gesenktem Kopf und schleppenden Schritten hinter Harry Ruick hertrottete. Sie wäre jede Wette eingegangen, dass Joan nicht an trockene Kleider und heiße Getränke dachte, sondern an einen Jungen, dem eine nasskalte Nacht ohne diese Annehmlichkeiten bevorstand. Oder an einen Jungen, der so etwas nie mehr brauchen würde.
    »Eins-null-zwei, zwei-eins-vier.« Joans und Ruicks Funkgeräte sprangen gleichzeitig an. Zwei-eins-vier war Gary Bradley, ein Mitglied des Bärenteams. Anna war ihm beim Zusammentreffen vor der Suche begegnet und hatte ihn durch das Belauschen der Funksprüche indirekt kennengelernt. Gary war jung, bärtig und idealistisch, ein typischer Vertreter der vielen Tausend Saisonkräfte, die Sicherheit und den amerikanischen Traum ihrer persönlichen Wunschvorstellung von einer besseren Welt opferten.
    Ruick nahm das Funkgerät aus einem Lederhalfter an seinem Gürtel. Anna bemerkte zum ersten Mal, dass sein Handrücken von Kratzern übersäht war, aus denen dort, wo Dornen die Haut aufgeschlitzt hatten, kleine hellrote Blutstropfen quollen wie Perlen. Der Anblick des Blutes erinnerte sie an ihre eigene Verletzung, die Wunde an ihrer Schulter, die der Grizzlybär geschlagen hatte. Sie hoffte beinahe, dass eine Narbe zurückbleiben würde. Die Geschichte war die Entstellung wert.
    »Schießen Sie los, Gary«, sprach der Polizeichef ins Funkgerät.
    »Wir haben hier etwas, das Sie sich besser anschauen sollten.«
    »Was ist es?«
    »Wir sind oben in der Nähe des Kootenai Passes, ungefähr einen Dreiviertelkilometer entfernt vom West Glacier Trail. Wie weit weg ist das von Ihnen?«
    »Vielleicht viereinhalb Kilometer. Wir können es bis Einbruch der Dunkelheit schaffen.«
    »Ich postiere Vic auf der Straße.«
    Ruick

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