Blutkult (German Edition)
Göttern und Menschen einzig und allein auf Furcht. Wir sind die Stärksten, die Fähigsten und die Mächtigsten unter den Lebewesen dieser Welt. Die Sterblichen können das spüren, und viele von ihnen beneiden uns aufgrund unserer ewigen Jugend und unseren Fähigkeiten. Andere hingegen fürchten uns, und früher oder später lernen sie zu hassen, was sie am meisten fürchten. Ihr Neid, ihre Furcht, treibt sie in die Arme unserer Feinde, so darf es uns nicht überraschen, dass die Anhängerschaft eines Magiers wie Strygar, der den Sterblichen gottähnliche Macht verspricht, beständig wächst. Und unser Weg wird geprägt sein von der Einsamkeit aller Unwillkommenen und Ausgestoßenen, abseits der menschlichen Städte und Siedlungen, draußen in der Wildnis.“
„ Du klingst schon beinahe wie Logrey.“
„ Wie er habe auch ich meine Erfahrungen mit den Menschen gemacht, und du sollst wissen, dass dies vor über zwanzig Jahren geschah, während des Krieges der Kentaren im Westen, als nur das Schlechteste überwog. Die Niedertracht, die ich sah, ließ einen Teil meines Herzens für immer sterben, doch darüber will ich niemals berichten, damit es völlig in Vergessenheit gerät, und niemals werde ich die Grenzen Kentars je wieder überschreiten.“
Jene wenigen Worte, einem Menschen gegenüber ausgesprochen, hätten genügt, um den Mythos vom unerschütterlichen Gott der Kentaren zu zerstören. Aber besaß nicht alles was lebte auf die eine oder andere Art Gefühle? Hatten nicht auch Götter ein Herz, das brechen konnte, waren nicht auch sie zu Tränen fähig, die wie Regen auf die Welt niederprasseln konnten?
„ Damals wollte ich allen Menschen den Rücken kehren, ich suchte neue Hoffnung unter meinesgleichen und reiste auf Einladung Logreys nach Kyaslan. Beinahe zwei Jahrzehnte blieb ich im Reich der Unsterblichen, wurde sogar zum Vertrauten ihres Imperators Rha-Khun, doch nie werde ich dieses Reich meine Heimat nennen, denn dort erkannte ich, warum ein klaffender Abgrund sich zwischen den Sterblichen und uns aufgetan und die Welt entzweigerissen hat. Lass mich dir davon berichten, damit du weißt, wie die Welt der Unsterblichen aussieht. In Kyaslan sind Menschen nichts als Nahrung, ihre Völker und Errungenschaften gar bedeutungslos. Die Menschen in den Städten und Dörfern der südlichen Küstenregionen zeigten sich den Kyaslanern gegenüber stets unterwürfig und ehrfürchtig. Auch wenn sie nicht den direkten Seeweg zu dem Inselreich der Unsterblichen kennen, so erahnen sie dessen Existenz weit draußen im Meer. Sie bringen den Kyaslanern Opfergaben dar, schicken ihre Boote mit jungen Männern und Frauen zu ihnen hinaus, damit die Kyaslaner sich an ihrer Lebenskraft laben können.
Doch manchmal, in den dunkelsten Nächten, wenn der Hunger der Unsterblichen nicht durch die Opfergaben der Küstenbewohner gestillt werden kann, ziehen sie zum Festland, um zu jagen. In einer jener Nächte fielen uns über vierhundert Sterbliche zum Opfer.“
„ Ihr habt sie gejagt, getötet, in großer Zahl, nicht anders als es die Strygarer taten, gegen die wir zu Felde ziehen wollen.“
„ Ja, Larkyen, unser aller Augen sind die von Raubtieren. Jeder von uns trägt eine Last mit sich, wir blicken auf Taten zurück, die wir ungeschehen machen wollen und in der Finsternis einsamer Nächte vernehmen wir die Schreie all jener Unschuldigen, die durch unsere Hand den Tod fanden. Wir, die Unsterblichen, haben die Welt entzwei gerissen, haben ihre Lebewesen aufgeteilt in Jäger und Beute, lebensfressende Götter und Menschen.“
Wie hätte Tarynaar auch ahnen sollen, dass jene zwei Welten unter der Bedrohung eines gemeinsamen Feindes, wenn auch nur für kurze Zeit, wieder zusammenwachsen sollten.
Es war noch Nachmittag, und der Pregargebirgskamm war längst hinter einer grauschwarzen Wand aus Nebel und Wolken verschwunden, als erneut die Donnerschläge erklangen. Diesmal glichen sie einem unheilvollen Kommando, so dass sich die düstere Wand rasch in Bewegung setzte.
Tiefe Wolken breiteten sich wie ein Leichentuch über das Tal und begannen das Licht der Sonne zu verdecken.
Das ungewöhnliche Naturschauspiel hatte längst die Aufmerksamkeit der Städter erregt. Auf den Straßen blieben die Menschen stehen und spähten in den Himmel. Die ersten Angstrufe erklangen, als die unnatürliche Dämmerung eine Nacht einläutete, die finsterer nicht hätte sein können und die Geräusche eines erwachenden Albtraums mit sich
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