Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Bludleute, die du retten kannst, all die Kinder, die ein besseres Leben haben werden, wenn du Jonah Goodwill aufhalten kannst. Du gehst nach Manchester, komme, was da wolle.
Da ächzte Criminy kurz und verlagerte den Hirschkopf auf seine andere Schulter, und meine Gedanken kehrten zu ihm zurück. Ich lächelte beim Anblick seiner breiten Schultern, der natürlichen katzenhaften Anmut, dem kräftigen Körper, in dem die drahtigen Muskeln arbeiteten und mit dem er so leichthin und kühn mit einem grimmigen Lächeln durch eine gefährliche Welt spazierte. Er hatte seinen Platz in meinem Herzen gefunden. Und mehr noch. Er wollte, dass ich genauso war wie ich eben war, und er ergänzte einen Teil von mir, von dem ich bisher nicht gewusst hatte, dass es ihn überhaupt gab. Und auch das wollte ich nicht verlieren.
Ich hatte ihn und nicht Casper gewählt, aber ich hatte noch nicht entschieden, was ich in Bezug auf das Medaillon und den Trank tun sollte. Die Entscheidung, die er von mir forderte, kam immer näher, mit jedem Schritt in Richtung der weiß getünchten Grabkammer von Manchester. Falls wir überhaupt so weit kamen. Falls wir es durch das Tor schafften. Falls wir Jonah Goodwill fanden, bevor er uns fand. Falls Tabitha Scowl ihn nicht schon vor uns gefunden hatte. Und falls das Medaillon nicht zerstört wurde und wir es zurückholen und für mich einen sicheren Schlafplatz finden konnten.
Das waren furchtbar viele Bedingungen.
Criminy warf einen Blick über die Schulter und lächelte. »Denkst du gerade daran, deine Meinung zu ändern, Liebes?«, fragte er. »Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt. Willst du mit dem Wanderzirkus durchbrennen, dich verwandeln lassen und ein leichtes Leben mit einem gut aussehenden Schurken führen?«
»Von dem Medaillon hängt inzwischen mehr als nur meine Zukunft ab. Und Dinge, die leicht zu haben sind, sind nicht viel wert«, antwortete ich.
Er lachte. »Dann hoffen wir mal, dass die schwierigen Dinge es wert sind«, meinte er.
***
Als wir schon fast so nah an der Stadtmauer waren, dass man uns bemerken musste, duckte sich Criminy hinter ein Gestrüpp aus wilden Hecken und Felsbrocken. Er setzte den riesigen Hirschkopf ab, kauerte sich ins Gras und winkte mich zu sich. Ich ging zu ihm und achtete darauf, meine Röcke von der blutigen Trophäe fernzuhalten.
»Jetzt brauchen wir Magie, Liebes«, verkündete er. »Sie suchen nach uns. Also wirst du unsichtbar sein, und ich gehe in Verkleidung. Diesmal werde ich einen stärkeren Zauber benutzen, einen, der nicht so viel Energie verbraucht, während er anhält. Du wirst so lange unsichtbar sein, bis ich den Bann breche, aber du bist noch immer körperlich. Du musst direkt neben mir bleiben, damit wir nicht getrennt werden, und du musst absolut still sein. Und du musst akzeptieren, dass du auf dich gestellt bist, solltest du verletzt werden. Schaffst du das?«
»Ich schaffe alles«, sagte ich.
Er zupfte ein ausgefallenes Haar von meiner Schulter und meinte: »Das war einfacher als sonst. Du hast nicht mal gekreischt.«
Er zog seinen Handschuh ab, legte das Haar über seine schwarzgeschuppte Hand und setzte es mit einem Wort in Brand. Während es brannte, sang er etwas in einer fremdartigen, melodiösen Sprache, bis das Haar nur noch Asche war. Dann küsste er mich flüchtig und verstreute die Asche über meinem Kopf.
Eigentlich war das nicht möglich, doch ich spürte, wie die Asche in meinem Haar landete und dort wie Schneeflocken schmolz. Criminy lächelte, als ich langsam unsichtbar wurde. Es war das dritte Mal für mich, und es war genauso befremdlich wie die Male davor. Aber dieses Mal konnte ich mich selbst auch nicht mehr sehen, kein bisschen, nicht mal wie Glas oder Wasser. Ich war zu einhundert Prozent verschwunden, und meine Kleider und Uro mit mir.
»Jetzt bin ich dran«, sagte er. Er biss sich in den Finger und zog mit dem Blut Linien über sein Gesicht, während er einen anderen Gesang murmelte. Es war dasselbe Blut, das mich hierhergebracht hatte, als es aus dem Medaillon gespritzt war und kleine Löcher auf meinem Badezimmertresen und dauerhafte Flecken auf meiner Hand hinterlassen hatte. Und es war nun auch in mir. Es musste wirklich starker Stoff sein.
Er bückte sich, um seinen Handschuh wieder überzuziehen, und als er wieder aufsah, schnappte ich nach Luft.
Er war nun ein älterer Herr mit leicht brauner Haut und kleinen Büscheln weißen Haares hinter den Ohren. Seine schokoladenbraunen Augen grinsten mich
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