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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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ein Bludliebchen wie ich.
    Iris, Lilien und Rosen tanzten vor dem düster grauen Himmel, und ich bückte mich, um ihren Duft einzuatmen. Ich ging über die gepflasterten Wege zu den Obstbäumen, Äpfel, Tangerinen und Pflaumen, gepflanzt in ordentlichen Reihen innerhalb der hohen Steinmauern des alten Klosters. Ich wollte wetten, dass nur sehr wenige Menschen wussten, welcher Reichtum sich in Mr Goodwills kleinem Paradies verbarg. Er wirkte nicht wie jemand, der gerne mit seinen Untergebenen teilte.
    Eine Kuh mit Senkrücken döste friedlich auf der anderen Seite des Hofes. Als ich näher kam, muhte sie. Ich hatte damit gerechnet, dass sie mich zähnefletschend anfauchen würde, aber dann sah ich den Heuhaufen vor ihr und erinnerte mich daran, was Joff und Gerren über eine Kuh ohne Blud gesagt hatten. Ich tätschelte ihr knochiges, braunes Hinterteil und sagte: »Viel Glück, Bossy.«
    Unter den wachsamen Blicken meines Wärters ließ ich mich auf einer Holzbank zwischen den Rosen nieder und zog die Knie an, um mir den atemberaubenden Sonnenuntergang anzusehen. Wolken, so tief und dicht, dass ich sie beinahe berühren konnte, färbten sich zentimeterweise mit den strahlenden Rot-und Orangetönen der sinkenden Sonne. Ich stellte mir die düstere Stadt unter uns vor, das Straßenlabyrinth, das sich in all seiner schmutzigen Pracht jenseits der hohen Wände des Gartens erstreckte.
    Es war ein abstoßender Ort, aber nicht ohne kleine Schönheiten; nicht ohne Dinge, die mir fehlen würden.
    Ich wandte den Blick zurück zum Haus. Die Ziegelwände waren blankweiß gestrichen, wie die eines Hauses auf einer Plantage in meinem eigenen Land. Er hatte das Refektorium in sein eigenes kleines Tara verwandelt. Langsam glitt der Sonnenuntergang über die Ziegelwände und warf orangefarbene Schatten wie Feuer über die friedliche Szene. Fröhliche Lampen schienen aus jedem Fenster, und ich versuchte, mir Criminy hinter einem davon vorzustellen: an den Schaukelstuhl gefesselt, hungrig, verletzt, verwirrt. Ohne zu wissen, welche Entscheidung ich treffen würde, wenn das Medaillon erst wieder in meinen Händen war. Würde ich bei ihm bleiben? Sein Volk töten? Für immer verschwinden? Und ich fragte mich unwillkürlich: Hatte er überhaupt noch einen Funken Vertrauen in mich?
    Hatte ich ihm überhaupt einen Grund gegeben, mir zu vertrauen?
    Der Wind strich seufzend durch die Bäume, und ich glaubte, einen Anflug von Beeren im Windhauch wahrzunehmen, wie ein Atemzug zum Abschied.
    Ich war so froh, dass ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn liebte, bevor wir durch das Tor gegangen waren.
    Hoffentlich glaubte er mir.
***
    Nach Sonnenuntergang nahmen wir alle wieder unsere vorherigen Plätze im Gästezimmer ein, nur dass ich diesmal nicht ans Bett gefesselt wurde. Criminy war noch immer am Stuhl festgebunden, und er wirkte noch elender und kränker als vorher. Mr Goodwill lächelte, zufrieden und selbstgerecht, wie eine Katze, die den Kanarienvogel gefressen und die Flügel wieder ausgespuckt hat. Die Copper standen da, hinter der Maske ihrer Uniformen, so unmenschlich wie blanke Mauern. Wenigstens war Tabitha nicht hier, um ihre hämische Freude zur Schau zu stellen.
    Ich legte mich hin, und Mr Goodwill band mir das Medaillon um den Hals. Ich seufzte, als es sich über mein Herz legte, und hielt es mit den Händen umschlossen. Erleichterung überlief mich, und ich konnte nur mit Mühe und Not verhindern, dass ein freudiges Lächeln auf meinem Gesicht erschien. Schließlich musste ich besorgt und in die Enge getrieben wirken.
    Criminy beugte sich im Stuhl nach vorne, zerrte an seinen Fesseln, und seine gedämpfte Stimme klang erstickt hinter dem Knebel.
    »Soll ich ihm eins überbraten, Sir?«, erbot sich ein Copper und hielt schon den Schlagstock bereit.
    »Nein, danke«, sagte Goodwill. »Er soll zusehen. Er soll leiden.«
    Ich kuschelte mich ins Bett, und der alte Mann drückte auf einen Knopf, um die Lampe zu löschen. Damit war es nahezu dunkel im Zimmer, und der Raum fühlte sich klein, erdrückend und luftlos an. Nur die Kerze neben Goodwill brannte weiter und warf einen gespenstischen Glanz auf seine hungrigen Augen.
    »Ich liebe dich, Criminy«, flüsterte ich.
    Und dann drehte ich den Kopf weg.

35.
    I ch knallte auf den Boden und riss die Augen auf. Etwas klapperte laut neben mir, und warme Flüssigkeit spritzte mir übers Gesicht.
    Ich sah eine Bettkante und ein großes Stück Flauschteppich. Und da war meine Hand, in einem

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