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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Gott behüte Sie.« Damit legte sie auf.
    Ich hatte ein etwas schlechtes Gewissen, weil ich die erfundene Louise Shepherd so kaltherzig sterben ließ, aber es war ja für einen guten Zweck. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sie keine Schmerzen spürte.
    Ich programmierte die Adresse in mein Navi und fuhr los. Während der Fahrt hörte ich meine Lieblings-CD und genoss die Sicherheit und Stille meiner Welt und mein Auto als kleine Bastion der Abgeschiedenheit. Im Geiste ging ich wieder und wieder meinen Plan durch und versuchte, ihn bis ins Detail auszuarbeiten. Trotz all seiner Planung hatte Jonah Goodwill eine Menge Details außer Acht gelassen, und ich fragte mich, ob er geistig noch ganz auf der Höhe war. Er war ein Mann mit Macht und Einfluss, aber in Sang schien es keine Ärzte zu geben. Vielleicht litt er an Demenz oder Alzheimer, etwas, das sich in meiner Welt feststellen ließe. Oder vielleicht fing er auch einfach an durchzudrehen.
    Als ich die Staatengrenze überquerte, war es stockdunkel. Ich steuerte an Feldern, Einkaufszentren und Wohnwagensiedlungen vorbei, bis ich in die Sycamore Lane einbog. Die Landstraße war lang, einsam und kaum beleuchtet, aber schließlich kam die Ziegelmauer aus meiner Vision ins Blickfeld. Sie wurde von kunstvollen Gartenlaternen beleuchtet, und das zugehörige Haus war unnötig riesig. Ich konnte mir vorstellen, dass das Gartenpersonal hier noch teurer sein musste als das von Haus Eden in Sang.
    Soviel Aufwand für einen Dahinvegetierenden, der nie wieder aufwachen würde. Was für eine Verschwendung.
    Ich hielt an einer dunklen Stelle knapp hundert Meter entfernt und strich meine Pflegerinnenkluft glatt. Dann legte ich mein Namensschild ins Handschuhfach und schob das Medaillon unter mein Hemd. Ich wusste nicht, wer im Haus sein würde; ob eine Krankenschwester rund um die Uhr anwesend war, oder ob Mr Goodwill eine Haushälterin hatte oder jemanden, der sich um das Haus kümmerte, oder womöglich eine ganze Großfamilie.
    Zum zehnten Mal prüfte ich meine Tragetasche, um sicherzugehen, dass ich auch alles hatte, was ich brauchte, bevor ich das Auto in die Einfahrt rollen ließ. Kein Minivan von Helping Hands – das war schon mal gut. Ein Laie würde ein wesentlich kleineres Problem darstellen. Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und klopfte an die Tür.
    Zeit, die talentierte und charismatische Lady Letitia Paisley hervorzuholen.
    Auf mein erstes Klopfen hin rührte sich nichts, also drückte ich die Türklingel. Daraufhin nahm ich drinnen eine Bewegung wahr, und dann ging die Verandabeleuchtung an und blendete mich. Gleich darauf ging die Tür auf, und ich starrte in den Lauf einer Schrotflinte. Nun ja, immerhin war es mitten in der Nacht an einer einsamen Landstraße.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein Junge im Teenageralter. Er trug Boxershorts und darüber einen offenen Bademantel. Seine Brillengläser waren verschmiert, und in den paar Haaren über seiner Oberlippe hingen einige traurige Cheetos-Krümel.
    Ich schaute über den Gewehrlauf hinweg und lächelte nervös.
    »Hi. Hat Terry Ann von Helping Hands Ihnen mitgeteilt, dass ich komme? Ich bin Carrie, und ich habe Mr Groves Medikamente dabei.«
    Der Gewehrlauf senkte sich, und der Junge schniefte. »Hat keiner angerufen. Tut mir leid wegen der Knarre. Ist schon spät.«
    »Ja, ich weiß«, antwortete ich entschuldigend. Ich hielt meine Tragetasche hoch und meinte: »Ich fülle nur auf. Die Schwester, die sonst immer kommt, hat vergessen, den Infusionsbeutel auszuwechseln, und außerdem wollten sie mit einer Infusion Zosyn anfangen. Das ist ein Antibiotikum. Ich brauche nur ein paar Minuten.«
    Der mürrische Jugendliche öffnete die Tür, und ich betrat ein wunderschönes Foyer aus Marmor mit einer dieser gewölbten Treppen, die man sich immer mit mindestens einer Debütantin im weißen Kleid darauf vorstellt.
    »Danke«, sagte ich. »Sind Sie Mr Groves Enkel?«
    »Yeah«, antwortete er. »Ich bin Toby. Wir verbringen alle abwechselnd eine Zeit hier, weil Opas Anwalt zu geizig ist, jemanden dafür anzustellen. Wenigstens hat er gutes Kabelfernsehen.«
    »Sie sind ein guter Junge, dass Sie sich um Ihren Großvater kümmern«, meinte ich.
    »Ich kenne ihn ja nicht mal«, antwortete der Junge. Er schlurfte zu einem langen Sofa im Nebenraum, lümmelte sich darauf und schaltete den Fernseher an. »Er ist schon so seit, na ja, zwanzig Jahren.«
    Er drehte mir den Rücken zu und fuhr fort: »Er ist oben,

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