Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
ich. »Er muss wirklich gut dressiert sein.«
»Gut dressiert? Oh Liebes, du bist urkomisch«, lachte er wieder. Dieses Lachen übte eine unglaubliche Anziehungskraft auf mich aus, und dabei kannte ich den Mann doch kaum. Oder das unmenschliche Monster. Oder das menschliche Raubtier. Was auch immer er vorgab zu sein.
»Pemberly, aufwachen!«, rief er.
Ein grüner Lichtblitz leuchtete in den offenen Augen des Äffchens auf, die daraufhin ein paarmal blinzelten. Das Äffchen hüpfte in die Luft, vollführte ein kleines Tänzchen auf den Hinterbeinen und bildete mit seinem Schwanz ein perfektes Fragezeichen.
»Pemberly, komm«, rief Criminy, und das Äffchen schwang sich auf den Boden, rannte auf seinen ausgestreckten Arm zu und kletterte daran hinauf, um sich auf Criminys Schulter niederzulassen, den Schwanz um seinen Oberarm geschlungen.
Das Äffchen wandte sich mir zu, und ich erkannte, dass das kupferrote Fell in Wirklichkeit raffiniert bearbeitetes Metall war. Im Inneren konnte ich ein leises Ticken hören, und die blinzelnden Augen verursachten ein metallisches Klicken.
»Letitia, meine Liebe, das hier ist Pemberly. Pemberly, das hier ist deine neue Herrin«, erklärte Criminy. Das Äffchen streckte eine anmutige schwarze Pfote aus, und Criminy nickte mir zu und sagte: »Nicht unhöflich sein.«
Ich schüttelte die kleine Hand, die sich kühl und glatt anfühlte. Die Mundwinkel des Äffchens hoben sich zu einem drolligen Lächeln, das silberne Zähne enthüllte.
»Sie mag dich«, erklärte Criminy.
»Woher weißt du, dass es eine Sie ist?«, wollte ich wissen.
»Weil ich bei Murdoch, als er sie gebaut hat, ausdrücklich ein Weibchen bestellt habe«, antwortete er, als sei es das Natürlichste der Welt.
»Ist sie ein Haustier oder gehört sie zum Zirkus?«, fragte ich weiter.
»Beides natürlich«, antwortete er. »Sie kann alles sein, was ich gerade brauche.«
»Da wo ich herkomme, gibt es nichts Derartiges.«
»Nun, wir haben ziemliches Glück, einen ausgezeichneten Baumeister und Mechaniker in der Mannschaft zu haben. Er ist ein Pinkie und ein Einsiedler, aber ziemlich talentiert. Er hält die Uhrwerke am Laufen, wenngleich wir kürzlich ein kleines Problem mit der mechanischen Burleskentänzerin hatten. Es kommt immer wieder vor, dass der Rotschopf mitten im Striptease einen Kurzschluss hat, und dann wollen alle ihr Blut zurück.«
»Aber … wieso?«
»Ich vermute, einer der Gäste ist zu sehr auf Tuchfühlung gegangen«, meinte er mit einem Schulterzucken. »Das passiert schon mal.«
»Nein, ich meine … warum habt ihr keine richtigen Tiere? Eine echte Burleskentänzerin? Das hier ist doch ein Zirkus, oder?«
Er seufzte und tätschelte mich am Kinn. »Ich habe es dir doch schon erzählt, Mäuschen. Fast alle wilden Tiere sind Bluttrinker, und keine Pinkie, die halbwegs bei Verstand ist, würde hier in Unterwäsche herumstehen. Kannst du dir vorstellen, was ein blutrünstiger Dickhäuter mit einem so zerbrechlichen kleinen Körper wie deinem anstellen könnte? Einen lebendigen Affen hat schon seit Jahrzehnten niemand mehr gesehen. Und die meisten Katzen und Hunde in den Städten wurden von Bludratten ausgesaugt. Die Uhrwerke geben recht gute Haustiere und Wächter ab.«
»Ach, deshalb war sie so regungslos«, erkannte ich.
»Wachmodus. Man kann gar nicht sicher genug gehen, heutzutage. Ich werde Murdoch etwas Hübsches für dich machen lassen, keine Sorge.«
Ich suchte den ganzen Wagenzug rauf und runter nach der mechanischen Burleskentänzerin, aber nirgendwo hüpften irgendwelche Sexboter herum. Ein paar Herzschläge lang standen wir so vor den Wohnwägen, und ich hatte das Gefühl, als würde er irgendeine Antwort von mir erwarten, doch, um ehrlich zu sein, mir fiel keine ein. Mit einem Seufzen streckte er die Hand aus, um das Äffchen auf den Boden zu lassen, und befahl: »Pemberly, halt Wache.«
Sie jagte zurück auf den Werkstattwagen und ging dort wieder in die Hocke, so wie ich sie zuerst gesehen hatte, scheinbar gelangweilt, mit großen Augen, die in die Ferne starrten, und in denen in Abständen ein rotes Licht aufblinkte.
Hinter dem metallenen Äffchen erstreckte sich die riesige dunstige Moorlandschaft, geisterhaft und schwermütig, bis zum Horizont. Abgesehen von den Coppers hatte ich noch keine anderen Personen zu sehen bekommen. Traum oder nicht, es war verstörend.
»Wo sind denn alle?«
»Oh, sie frühstücken noch«, antwortete er mit einem Blick auf eine Taschenuhr.
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