Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
du das genaue Gegenteil meines ehemaligen Verlobten bist. Ich bin vielleicht noch nicht vergeben, aber das bedeutet nicht, dass ich auch zu haben bin. Du solltest mich nicht so anschauen. Aber du kommst mir … ziemlich nett vor.«
Ich fand nicht wirklich die Worte dafür, wie er mir vorkam.
Er ließ ein leises, tiefes Glucksen hören. Es hatte etwas Unheimliches an sich, wie Aale unter der Wasseroberfläche eines Sees, düster und gefährlich. Aber zugleich war es wahnsinnig anziehend.
»Was ist?«, wollte ich wissen.
»So langsam glaubst du mir«, antwortete er. »Du sagst vielleicht, es sei ein Traum, aber du versetzt dich in mich hinein und versuchst es mir recht zu machen. Ich bin nicht länger nur ein Produkt deiner Fantasie.«
»Ich glaube gar nichts – ich spiele lediglich nach den Regeln«, gab ich zurück und kam mir dabei etwas kratzbürstig vor. »Es bringt nichts, zu träumen, wenn man sich nicht auf den Traum einlässt.«
»Das klingt ziemlich hübsch«, meinte er und schaute lächelnd auf das Gras in seinen Händen.
Und dann fühlte ich seine volle Aufmerksamkeit auf mich gerichtet, und meine innere Anspannung wuchs.
»Schau mir in die Augen, Letitia.«
»Nenn mich Tish«, verbesserte ich ihn automatisch.
»Niemals«, erklärte er entschieden.
Ich konnte einfach nicht anders – ich senkte den Blick und sah ihm in die Augen.
Seine Augen hatten die Farbe des Ozeans, ein Wechselspiel aus Grau-, Braun- und Grüntönen, mal trübe, mal klar. Kein Blinzeln. Der Blick war so eindringlich, dass mich die Erkenntnis wie ein Blitz durchfuhr und sich in meiner Magengegend breitmachte, heiß und süß, wie ein Schluck guter Whiskey.
Schnell schloss ich die Augen.
»Ich kann nicht so fühlen. Egal, welche Magie du da benutzt, hör auf damit.«
»Meine Magie hat keinen Einfluss auf dein Herz«, antwortete er. »Sonst hätte ich sie längst eingesetzt und dich wie eine Marionette an meinen Fäden zu meinem Wohnwagen tanzen lassen.«
»Das erscheint mir nicht gerade fair«, sagte ich.
»Du sprichst ein wahres Wort gelassen aus«, stimmte er mir zu. Obwohl – ich hatte das Gefühl, als hätten wir uns gerade über zwei verschiedene Dinge geeinigt.
»Mein Name ist Tish Everett. Ich bin Krankenschwester von Beruf und kümmere mich um meine Großmutter; ich lebe in einem Apartment, und ich habe eine Katze. Das hier ist ein Traum, aus dem ich nun jeden Moment aufwachen werde«, rezitierte ich mit immer noch geschlossenen Augen, während mir das Herz bis zum Hals klopfte.
Ich brauchte meine Freiheit. Ich brauchte Zeit, um mich selbst zu finden, in dem sicheren kleinen Kokon, den ich mir in meiner Welt geschaffen hatte. Ich musste mich um meine Großmutter kümmern und um meine Verpflichtungen. Ich wollte nicht so etwas fühlen wie diese unerklärliche Sehnsucht nach einem gefährlichen Fremden in seiner bizarren, blutrünstigen Welt. Ich hatte Angst davor.
Bis er anfing, zu reden.
Verdammt soll er sein, und sein sexy Akzent dazu .
»Sieh es mal so, Liebes. Wenn das hier ein Traum ist, dann spielt nichts von dem, was du tust, eine Rolle. Träume sind dazu da, Dinge zu erleben, die man im wirklichen Leben nie erleben kann. Du kannst fühlen, lieben oder ungestraft töten. Nichts davon spielt eine Rolle; Träume sind der Spielplatz des Herzens.« Seine Stimme klang leise und melodisch.
»Und wenn du dich wirklich in einer anderen Welt befindest, dann sind deine Großmutter und deine Katze nicht hier. Vielleicht kannst du nie wieder zurück. Und du weißt auch gar nicht, wie du wieder zurückfinden könntest. Also kannst du genauso gut hier versuchen, das Bestmögliche aus deinem Leben zu machen. Du willst nicht allein in Sang leben, glaub mir.«
Er musste gespürt haben, dass meine Entschlossenheit ins Wanken geriet. Die sanfte Stimme redete weiter, schlich sich in meine Ohren, setzte sich in meinem Kopf fest, und schlug dort Wurzeln.
Ich sehnte mich so sehr danach, einfach nachzugeben.
»So oder so ist es das Beste, wenn du mir vertraust. Komm mit mir.«
Seine Stimme wurde so leise, dass ich sie kaum noch hören konnte, als er sagte:
»Sei meine Liebste.«
Ich konnte nicht bestimmen, ob das eine Frage oder ein Befehl war.
»Aber warum?«, wollte ich wissen. »Warum du? Warum ich?«
»Sagen wir einfach, wir haben beide unsere Träume«, antwortete er. »Und manchmal dauert es in der Tat sehr lange, bis sie wahr werden.«
In der Stille war der Gesang der wenigen Vögel zu hören, und ich fragte
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