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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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unwichtigen Personen war, die in Wirklichkeit große Macht innehaben. Ich wollte es mir mit ihr nicht verscherzen. Und außerdem erinnerte sie mich an meine Großmutter, die sich auch schon mal schroff gab, um auszutesten, aus welchem Holz man geschnitzt war, und um zu sehen, ob man ein näheres Kennenlernen wert war.
    »Ich weiß nicht, wie die Dinge hier laufen. Danke, dass Sie mir geholfen haben.«
    Als ich sie umarmen wollte, schnappte sie nach Luft und wich zurück.
    »Da wo du herkommst, müssen die Dinge sehr anders laufen«, sagte sie mit einem seltsamen Unterton in der Stimme, und erst da wurde mir klar, dass sie dieselbe Art Wesen war wie Criminy: ein Bluttrinker. Keine Ahnung, warum ich den Zusammenhang nicht schon früher erkannt hatte – zum Beispiel, als ich die schwarzen Klauen gesehen hatte. Sahen Criminys Hände unter den Handschuhen genauso aus? Das wäre noch ein Punkt dagegen, sich näher mit ihm einzulassen – auch wenn ich jedes Mal, wenn er mich anlächelte, fast dahinschmolz.
    Mrs Cleavers nahm eine kleine Flasche von einem Tischchen und sprühte großzügig Parfüm über meinen Kopf. Ich spürte, wie die winzigen kalten Tröpfchen auf mein Gesicht niedergingen. Der Duft roter Rosen hüllte mich ein, und ich nieste.
    Sie atmete tief ein und meinte: »Das ist besser. Aber versuch’ nicht, mit einem Bludmann zu kuscheln, eh? Und hier ist dein Schultertuch.«
    Sie hielt mir ein Stück schwarzes Netzgewebe hin, aber ich sagte: »Nein, danke.«
    »Der Master lässt vielleicht durchgehen, dass du keine Farbe willst«, rief sie aufgebracht, »aber jede Dame trägt ein Schultertuch.«
    »Ich nicht«, wehrte ich ab.
    Als ich mich schwungvoll zur Tür wandte, löste sich ein Teil meiner Frisur, und ich griff blitzschnell nach oben, um zu verhindern, dass die ganze kunstvolle Haarpracht herunterkam. Gleichzeitig streckte Mrs Cleavers die Hand aus, um die vorwitzige Haarsträhne zu bändigen, und irgendwie streifte ihre Hakennase meine bloße Hand, Haut an Haut.
    Und da fühlte ich einen Stromschlag, als hätte mich ein Blitz getroffen.

6.
    W ir reagierten beide wie auf einen Stromschlag und fuhren schwer atmend auseinander. Bei dem kurzen Hautkontakt war ein Bild in meinem Kopf aufgetaucht, wie ein Teil einer vergessenen Erinnerung, die aber keinen Sinn ergab. Ich sah ein winzig kleines goldenes Äffchen mit einem grünen Zylinder, das im Dunkel der Nacht ein Fenster öffnete und etwas in die Puderdose schüttete, mit der Mrs Cleavers mein Gesicht hatte schminken wollen.
    So schnell wie es kam, war das Bild auch wieder verschwunden. Es war nicht einmal eine Sekunde vergangen, kaum ein Atemzug.
    »Haben Sie das gesehen?«, fragte ich.
    »Ich habe es gespürt«, antwortete sie. »Du hast Glück, dass ich mit zwei Jahrhunderten an Selbstbeherrschung gesegnet bin, Vögelchen.«
    »Nein, nicht das«, meinte ich. »Haben Sie das Bild gesehen, das mit dem Äffchen?«
    »Welchem Äffchen?«, fragte sie, mit nun argwöhnisch zusammengekniffenen Augen.
    »Ich habe sowas wie einen Stromschlag gespürt, und dann war da dieses Bild von einem Äffchen mit Hut, das etwas in Ihren Gesichtspuder geschüttet hat«, erklärte ich. »Ist das denn nicht der Grund, warum Sie nach Luft geschnappt haben?«
    »Dieses Äffchen«, fragte sie, »wie sah das aus?«
    »Es war sehr klein, noch kleiner als das von Criminy, und es trug einen grünen Zylinder.«
    »Elvis«, spuckte sie aus. »Ich hätte es wissen müssen.«
    Sie nahm die Puderdose in die Hand, schnupperte daran und hielt sie dann ins Licht der Lampe.
    »Kein Geruch, keine Farbe«, murmelte sie vor sich hin. Dann durchbohrte sie mich wieder mit ihren scharfen dunklen Augen. »Du sagst, du hast es gesehen? Gerade eben? In einem Traum?«
    Ich nickte.
    »Hast du sowas schon früher einmal gesehen?«
    »Nein, nichts dergleichen«, gab ich zu.
    Sie öffnete die Tür und rief leise nach draußen: »Master, sie ist jetzt bereit für Sie.«
    Als Criminy hereinkam, war sein Gesichtsausdruck auf eine Weise hoffnungsvoll, die ich sehr liebenswert fand, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte. Er sah mich, und seine Augen leuchteten auf. Ich hätte schwören können, dass ich dort Schatten vor dem Feuer tanzen sah. Er legte den Arm um meine nun bedeutend schmalere Taille, hob mich mit einer schnellen Drehung in die Höhe und versuchte dann, einen kleinen Tanzschritt mit mir zu vollführen. Ich hoffte, die langen Röcke würden meine mangelnden Tanzkünste verbergen, und ich

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