Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
Vom Netzwerk:
irgendwie funktioniert das nie mit diesen Scharlatanen.«
    »Du bist ganz schön überheblich«, meinte ich.
    »Na gut«, antwortete er mit einem kleinen Lachen. »Wir machen es auf deine Art. Madame Letitia Paisley Everett, ich freue mich, Ihnen eine Anstellung als Wahrsagerin in meinem Wanderzirkus anzubieten. Die Bezahlung beträgt Unterkunft, Verpflegung und zweihundert Kupferlinge pro Jahr. Wären Sie bereit, das Angebot anzunehmen – zumindest so lange, bis Sie es geschafft haben, die Kunst des interdimensionären Reisens zu beherrschen und in Ihre alte Welt zurückkehren?«
    Ich dachte an die Kaninchen, die Pferde, die Copper, die anderen, weniger ritterlichen Bludmänner, und an die riesige, bedrückende Welt da draußen. Ich hatte gar keine Wahl, aber er akzeptierte, dass ich das Gefühl brauchte, als hätte ich eine, und das wusste ich durchaus zu schätzen.
    »Ich nehme Ihr Angebot gerne an, Mr Stain«, antwortete ich mit einem ungeschickten Knicks.
    »Aber, Sir«, mischte sich Mrs Cleavers ein, »was ist jetzt mit Elvis?«
    »Mit dem werde ich mich mal unterhalten«, antwortete er finster. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem grausamen, herzlosen Lächeln, das mich an eine Fallgrube voller gespitzter Pfähle erinnerte. Was auch immer er für mich war, ich war froh, ihn nicht zum Feind zu haben.
    »Aber zuerst brauchen wir noch ein Paar Handschuhe«, sagte er und ließ sein Lächeln verschwinden, wie ein Revolverheld, der seine Pistole ins Halfter steckt. »Ihr beide hattet Glück, diesmal, aber so etwas sollte nicht noch einmal passieren.«
    Mrs Cleavers öffnete noch eine Truhe und brachte mir ein Paar taubengrauer Handschuhe mit Perlmuttknöpfen. Dabei spürte ich, dass sie sich zurückhielt und mich auf keinen Fall berühren wollte. Ich fragte mich, was ihr mehr Angst machte: der Gedanke, mich zu berühren und das zu fühlen, was sie so geschockt hatte – was auch immer das war – oder der Gedanke, dass ich sie berührte und noch irgendetwas anderes sah, sei es nun Vergangenheit oder Zukunft. Ich schlüpfte in die Handschuhe, streckte die Finger aus und zuckte mit den Schultern. Mein Outfit war einengend, und ich wurde das Gefühl der Platzangst nicht los. Und des Gefangenseins.
    »Ich war noch nie so allumfassend in Kleidung gehüllt«, sagte ich. »Ist das immer so?«
    »Wenn du eine schlaue kleine Pinkie bist, dann ja«, antwortete Criminy. »Du wirst dich daran gewöhnen.«
    Er geleitete mich zur Tür hinaus und die Treppe hinunter. Mittlerweile waren um die Wagen herum Leute aufgetaucht, und es war wirklich schwer, nicht einfach alle anzustarren, denn es waren sehr seltsame Leute, die alle sehr seltsame Dinge machten.
    Uns am nächsten hing ein zwischen zwei Pfosten straff gespanntes Seil, auf dem eine gelangweilte junge Frau, die wie eine Marionette geschminkt war, auf einem Einrad hin und her fuhr. Ihr Kostüm war aus grellem purpurrotem Leder mit gelben Harlekinrauten, hatte Schnürungen an Hals, Handgelenken und Knöcheln und ein gerüschtes Ledertutu. Mit all den Schnürungen musste sie ein Mensch sein. Eine Pinkie, so wie ich. Als sie uns sah, wurde sie munter.
    »Guten Tag, Master Stain«, rief sie. »Wer ist denn das neue Mädchen?«
    Criminy nickte höflich, antwortete aber nicht.
    Unter ihrem Hochseil stand ein junger Mann mit strubbeligen kastanienbraunen Locken und offenem Hemd, das eine haarlose schmale Brust zeigte. Um seinen Hals hing an unsichtbaren Fäden eine Marionette mit großer Nase. Weitere Marionetten lagen über einen Schrankkoffer in der Nähe verstreut. Der Mann hatte scharlachrote Handschuhe an, und er war so konzentriert auf die Radlerin über ihm, dass er uns nicht mal bemerkte, als wir vorbeigingen.
    »Er ist verliebt in sie«, flüsterte Criminy mir zu, und sein Atem bewegte die Löckchen hinter meinem Ohr, sodass sie die empfindsame Haut dort kitzelten. »Er hofft die ganze Zeit darauf, dass sie herunterfällt und sich den Hals bricht. Denn dann kann er sie verwandeln, ohne sich dafür schuldig zu fühlen, und ihr Retter in der Not sein.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. In den Vampirgeschichten, die ich bisher gelesen hatte, machten die Vampire für gewöhnlich alles, was sie wollten, ohne sich um irgendwelche Konsequenzen zu scheren. Wenn dieser Bluttrinker hier sein Leben damit verbrachte, sehnsüchtig ein gelangweiltes Mädchen auf einem Einrad anzuschmachten, dann herrschten in dieser Welt offenbar recht eigenartige

Weitere Kostenlose Bücher