Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Rodvey erpresst wurde. Es war ein schnelles, verwirrendes Durcheinander an Visionen, aber ich hatte sehen können, dass, wenn er Rodvey damit konfrontierte, das daraufhin folgende Duell ihnen beiden den Tod bringen würde. Am Boden der Gewürzdose würde er die Dokumente finden, die seine Frau mit ihrem Körper von Rodvey erkaufte, jedes Mal eine Seite: Eine gefälschte Erklärung darüber, dass Ferling angeblich illegale Abmachungen mit der Bludmannsgilde getroffen hatte. Sie tat es, um ihn vor einer falschen Anklage und der sicheren Hinrichtung zu schützen.
Wie ich schon zu Anfang vermutet hatte, war Rodvey ein sehr böser Mann.
Aber als ich Ferlings Hand berührt hatte, hatte ich noch etwas anderes gesehen, etwas, das sogar noch erschreckender war, und das ich mit absoluter Sicherheit nicht offenbaren wollte. Es war ein geheimes Treffen vermummter Gestalten, alle in kupferfarbenen Samtroben, in einem Raum aus Stein, umgeben von Kerzen. In der Mitte ihres Kreises lag ein Bludmann, noch weißer als weiß, und sein Blud rann in seltsame Rinnen, die in den Steinboden gehauen waren. Die Gesichter der Verhüllten lagen im Schatten, und die Stimme, die da sprach, kannte ich nicht.
»Ein weiterer Dämon ausgeblutet. Doch er hat viele Brüder, und wir werden eine Plage über ihresgleichen bringen, von den Göttern gesandt, um Sang vom Bösen zu reinigen«, dröhnte die Stimme. »Wir werden alle Bludkreaturen zerstören, ein für alle Mal. Der Fremdling wird kommen, um unsere Welt wieder rein zu machen.«
»Amen«, ertönte der Antwortgesang.
Die Copper planten einen geheimen Völkermord, und ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn aufhalten sollte.
***
Ich war mit meinen Gedanken woanders, was das Sehen allerdings noch einfacher machte. Nach Ferlings Offenbarung schien alles so belanglos, da war es kein Problem für mich, geheimnisvoll und weit entfernt zu wirken.
Es war erstaunlich, wie vielen Leuten man sagen musste, im Dunkel der Nacht nicht allein nach draußen zu gehen. Es schien doch so offensichtlich, als würde man Leuten sagen, dass sie nicht vor ein Auto laufen sollten. Aber die Tatsache, dass sie in ihren Kleidern und Häusern eingesperrt waren, schien die Pinkies in falscher Sicherheit zu wiegen. Und es waren noch nicht einmal die Bludleute, von denen sie fürchten mussten, dass die sie wie dunkle Engel in den Schatten der Nacht aussaugen würden. Nein, es waren die bescheuerten Bludratten.
Die Gesichter verschwammen ineinander, und eine Vision zerfloss in die nächste. Die meisten davon vergaß ich fast augenblicklich wieder, wie flüchtige Gesichter auf einem belebten Gehweg. Ich war erst seit ein paar Stunden dabei, aber so langsam wurde ich schläfrig. Es musste wohl langsam Zeit sein, aufzuwachen in meiner anderen Welt.
»Guten Abend, Madam«, kam da eine tiefe, väterliche Stimme mit kultiviertem englischem Akzent.
Ich war kurz weggedämmert. Ups .
Den Kopf noch immer gesenkt, schaute ich durch meine getuschten Wimpern zu ihm auf. Ein freundlich aussehender alter Mann mit einem großen grauen Walrossbart streckte mir lächelnd die Hand entgegen.
»Ich habe eine Menge über Ihr Talent gehört«, sagte er. »Ich möchte gerne etwas über meine Zukunft erfahren.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte ich und nahm seine Hand.
Ich konnte nicht verhindern, dass ich entsetzt aufkeuchte. Die Vision bei ihm war ein genauso schnelles und verwirrendes Durcheinander wie bei Ferling, aber das Geheimnis ging noch viel tiefer.
Zuerst sah ich diesen Mann in der Stadt, in einem Büro, wie er zu einer Menge Copper sprach, die in dem Raum versammelt waren. Er war reich und mächtig, so etwas wie ein Bürgermeister. Draußen vor seinem Fenster erhob sich eine weiße Kirche mit zerbrochenen Fensterscheiben und einem merkwürdigen Kirchturm, der wie ein X geformt war.
Als Nächstes sah ich ihn in dem leeren Kultsaal, wie er die Kapuze seiner kupferfarbenen Robe zurückwarf und dem Leichnam des ausgebluteten Bludmanns einen Tritt versetzte.
»Einer erledigt, bleiben noch eine Million«, sagte er zu sich selbst.
Im letzten und gruseligsten Teil sah ich den alten Mann, wie er schlief.
Aber in der Vision trug er nicht diesen hohen Zylinder, der den Hals hinab zugeknöpft war. Er trug weder Handschuhe noch Stiefel oder eine kupferfarbene, blutbefleckte Robe.
Nein, er lag in einem teuren Bett, eingehüllt in dicke, flauschige Decken. Rechts von ihm stand ein kleiner Tisch mit einem Telefon und einem Radiowecker, links von
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