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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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ihm ein Gestell mit einer Infusionsflasche. Eine ältere Frau in Pflegerinnenkluft wechselte gerade seinen Infusionsbeutel mit den Worten: »So, nun, Mr Grove. Das ist doch besser, nicht wahr? Wissen Sie, Sie verpassen gerade ’nen wunderschönen Frühlingstag.«
    Sie schaute aus dem Fenster: Draußen, umgeben von einer hohen Ziegelmauer, stand ein großartiger Magnolienbaum in voller Blüte. In der noblen Auffahrt stand ein Minivan mit der Aufschrift Helping Hands, häusliche Pflege , daneben zwei purpurrote Hände, die ein Herz formten.
    Ich zuckte zusammen, als der alte Mann mich scherzhaft fragte: »Können Sie irgendetwas sehen?«
    Der britische Akzent wirkte unecht auf mich, und ich fragte mich, welchen er wohl wirklich hatte. Mir war klar, dass ich lügen musste, aber ich hatte nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um zu entscheiden, ob ich authentisch oder übertrieben wirken wollte. Ich entschied mich für Letzteres und flocht ein paar der banalen Phrasen mit ein, die Criminy mir beigebracht hatte.
    »Oh, Sir. Ihr seid ein sehr mächtiger Mann, ein großer Anführer. Ihr werdet ein langes und erfüllendes Leben haben. Euer Schicksal ist unklar. Die Geister wachen über Euch. Hütet Euch vor einem dunkelhaarigen Fremden.«
    Dabei konzentrierte ich mich auf seinen Schnurrbart. Der zuckte, und seine Augen wurden schmal. Er war misstrauisch. Ob er mir glaubte oder nicht, konnte ich nicht sagen. Die meisten Leute rechnen nicht mit einer echten Wahrsagerin, die ihnen Lügen erzählt.
    »Ich verstehe«, sagte er. »Ich verstehe.« Dann wanderten seine Augen über mein Gesicht und meinen Oberkörper hinab. Ich wich etwas zurück.
    »Das ist ja eine reizende Kette«, meinte er. »Sie haben Mut, meine Liebe, wenn Sie inmitten dieser Monster so wenig Kleidung tragen.«
    Criminy und Mrs Cleavers hatten beschlossen, dass ich ein Hemd tragen sollte, wie Bludmänner es trugen, da die Kunden heute alle Pinkies sein würden. Es erhöhte den Exotikfaktor und würde dabei helfen, ihre Aufmerksamkeit von gelegentlichen Patzern abzulenken. Das Medaillon lugte gerade so aus meinem Dekolleté, und der Rubin glitzerte im flackernden Licht.
    Ich legte schützend meine Hand um das Medaillon.
    »Danke, Sir.«
    Er ließ seinen Blick weiter über mich schweifen. Ich rutschte auf meinem Stuhl und zog das Schultertuch enger um mich, während ich mit einem Räuspern zu Boden sah. Auf das Signal hin hörte Pemberly auf, herumzuhüpfen und rannte zu mir, um den Mann am Mantel zu zupfen.
    »Wie es scheint, ist die Zeit um«, sagte er in demselben freundlichen Tonfall. »Ich danke Ihnen sehr, dass Sie Ihre Gabe mit mir geteilt haben, meine Liebe.«
    Er legte eine Goldmünze auf den Tisch und schlenderte zielstrebig zurück in die Menge. Meine nächste Kundin näherte sich, eine Frau in den mittleren Jahren mit verzweifeltem Blick.
    »Einen Augenblick, Madam«, sagte ich.
    Zum Glück lag ein Federkiel auf meinem Tisch, zusammen mit Kristallkugel, Totenkopf und anderen Requisiten. Ich kritzelte auf die Rückseite von Criminys vorheriger Notiz: Alter Mann großer Schnurrbart Anführer der Copper will Bludleute töten ist in Wirklichkeit Fremdling!!! Dann knüllte ich das Papier zusammen und gab es Pemberly.
    »Bring das zu Criminy«, wies ich sie an.
    Sie schloss mit einem Klick einmal die Augen, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte und flitzte dann durch die Menge. Ich setzte ein professionelles Lächeln für meine nächste Kundin auf und streckte die Hand aus.
    Und dann verlor ich das Bewusstsein.

14.
    N och ehe ich überhaupt die Augen auf hatte, war ich auch schon überfordert. Die Geräuschkulisse war schwindelerregend: Mein Wecker summte, mein Handy klingelte und mein Kater miaute.
    9:47 Uhr. Mist!
    Zuerst der Wecker. Über zwei Stunden verschlafen. Ups .
    Dann das Handy.
    »Nana, es tut mir so leid«, fing ich an.
    »Tja, Süße, du bist diejenige, die sauber machen muss, wenn ich mich einmache«, antwortete sie gereizt. »Obwohl, Frühstück wäre auch ganz nett.«
    »Bin schon unterwegs, und ich bringe Donuts mit«, versprach ich.
    »Dann könnte ich dir wohl verzeihen«, meinte sie.
    Ich war so erschöpft, dass ich kaum aufstehen konnte. Mein erster Weg führte mich schnurstracks zur Kaffeemaschine.
    Der ganze Morgen verging verschwommen und schwerfällig, als sei ich betrunken, bloß ohne den Spaß dabei. Ich tauchte gerade rechtzeitig bei Nana auf, um eine Wäschekrise und die damit verbundene gegenseitige Demütigung zu

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