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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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während er redete, hörte ich Metall auf Metall kratzen. »Die Coppers haben ihn ausgeblutet, vor zwanzig Jahren. Sie haben seinen Kopf auf einen Pfahl gesteckt für den Mord an einem Mädchen namens Evangel. Das warst nicht zufällig du?«
    Ein erstickter Schrei hallte von den Wänden wider. »Ausgeblutet! Oh, Rab, mein Liebster! Du warst immer treu!«
    Eine albtraumhafte Erscheinung tauchte auf, nur Zentimeter vor meinem Gesicht: das Geistermädchen mit den kurzen Haaren, ihr Mund nun ein klaffendes Loch zur Hölle. Ihr ersticktes Jammern wurde zu einem Kreischen, das mich aufschreien ließ, und unsere Stimmen verschmolzen miteinander und hallten durch die Dunkelheit. Es kam mir vor, als ob die Metallwände sich nach außen krümmen und kurz vor der Explosion stehen müssten von dem Lärm. Meine Trommelfelle schmerzten von dem Schalldruck, und der Schmerz schoss in roten Blitzen durch meinen Kopf.
    Aber durch sie, von ihr erleuchtet, sah ich Criminys Rücken. Er machte sich an der Tür zu schaffen, also schrie ich noch lauter. Was mir nicht schwerfiel, so verängstigt wie ich war. Den ruhigen Geist unter den Wellen hatte ich nicht gefürchtet, aber dieses Ding hier war übel.
    Das Geistermädchen dehnte sich aus, ihre Hände wurden zu Klauen, und ihre Augen sanken in leere schwarze Höhlen zurück. Ich musste rückwärts ausweichen, bis ich Knochen gegen die Absätze meiner Stiefel schrammen spürte, die sich an meine Knöchel klammerten. Selbst wenn ich es versucht hätte, ich hätte nicht aufhören können zu schreien. Sie ragte über mir auf, mit offenem Mund, und irgendwo ganz hinten in meinem Kopf fragte ich mich, ob es wirklich so etwas wie eine Seele gab, und wo die ihre sein mochte, und wohin wohl meine gehen würde, wenn diese Geisterlippen sie mir durch die Augäpfel hindurch aussaugen würden.
    Und plötzlich flog die Tür auf, und das gespenstische Geschrei hörte abrupt auf, sodass nur Schweigen und der intensive Geruch salzigen Windes blieb. Ich blinzelte, und da stand Criminy, grinste und streckte mir die Hand entgegen.
    »Ich denke, du hast dein Versprechen gehalten, Liebes«, meinte er und gab mir Uro zurück. »Gott sei Dank gibt es Uhrwerke und ihre Dietriche, eh? Lass uns von hier verschwinden.«
    »Noch nicht«, sagte ich. »Halt die Tür auf.«
    Ich schaute hinter mich, dorthin wo der Sonnenuntergang gerade genug Licht hereinließ, um das traurige, zerfallende Skelett eines wahnsinnigen Mädchens mit gebrochenem Herzen zu sehen. Ich streckte die Hand aus, um das schwarze Haar zu streicheln, und der Stromschock kam, sanft wie tanzende Blätter im nächtlichen Sommerwind.
    »Mein G-Gott«, brachte ich nur stotternd heraus.
    »Was siehst du, Liebes?«
    »Alles, was sie gesagt hat, stimmt. Aber ihr Verlobter war Jonah Goodwill selbst, und Rab Crumbly war der Bludmann, der den Kreuzzug Goodwills gegen dein Volk ausgelöst hat. Und gegen Frauen wie mich. Goodwill trägt immer noch Evangels Verlobungsring an einer Kette um seinen Hals. All das, alles, was er getan hat. All die furchtbaren Dinge die er begangen hat. Alles ihretwegen.« Ich hielt inne und betrachtete das weiße Kleid. Ein Hochzeitskleid. »Weil er sie liebte, und sie nicht ihn, sondern einen Bludmann wählte.«
    »Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich ihn noch mehr hassen könnte«, sagte Criminy und hielt mir eines seiner vielen Taschentücher hin, ein großes Quadrat aus meergrüner Seide. »Aber jetzt tue ich es.«
    So sanft wie ich konnte, wickelte ich den Leichnam in das Tuch und hob ihn auf. Dann ging ich vorsichtig ans Geländer und warf ihn ins Meer.
    »Du bist frei«, erklärte ich feierlich, während ich zusah, wie die Knochen auf den Felsen aufschlugen.

23.
    D ie Stadt stand in Flammen, und an den Docks herrschte Stille. Ich stand immer noch unter Schock. Außerdem war ich halbnackt und durchgeweicht, und das Salzwasser fing an, mich wundzuscheuern. Trotzdem gab es da noch eine Menge Dinge, die ich nicht verstand. Und ich hatte es eilig.
    »Wenn die Stadt in Flammen steht, warum fliehen dann nicht alle zum Hafen?«, fragte ich. »Boote bieten bessere Chancen als die Stadttore, oder?«
    »Ach ja, du bist nicht mit der Politik hier vertraut. Brighton ist eine Stadt, die von wenigen reichen Pinkies regiert wird. Unter ihnen stehen die armen Pinkies, die Dienstboten und die Bludleute, die in den Fabriken arbeiten. Die Leute werden seit Jahrzehnten unterdrückt. Sie sind es nicht gewohnt, zu kämpfen oder taktisch

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