Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
hörte, wie er tief einatmete und seufzte.
Ich zog die Decke noch enger um mich herum.
»Nichts ist passiert«, sagte ich nervös. »Ich habe nur gerade etwas gesehen, das mich überrascht hat. Und solltest du nicht das Boot steuern?«
»Ich habe es bereits programmiert«, antwortete er. Seine Stimme war leise und sanft. »Es wird uns ins offene Wasser um die Insel bringen und dann anhalten. Sollte auf dem Sonar irgendwas auftauchen, werden wir einen Alarm hören.«
Er holte noch mal tief Luft und atmete dann mit einem leisen Summen wieder aus.
»Wir sind also allein. Liebes.«
Es zog mich zur Tür, ich kam nicht dagegen an. Mein Vorsatz zu widerstehen, sowohl Criminy als auch Sang selbst, bröckelte.
Ich fühlte mich, als würde er an einem unsichtbaren Seil ziehen, als wäre da ein goldener Haken um meinen Rücken, der mich vorwärts zog. Sachte stieg ich vom Bett und zog dabei die rote Überdecke hinter mir her. Sie hing mir über die Schultern und vorne über meinen verschränkten Armen, wie Flügel, die sich besitzergreifend um meine zerbrechliche Haut legten.
Ich drückte mich gegen die Tür und fühlte gleichzeitig die Anspannung seines Körpers, der sich durch das dünne Holz dagegendrückte. Ich atmete tief ein: Ich konnte ihn ebenso riechen, seinen Duft, der sich scharf von dem Geruch nach Messing und neuem Tuch im Boot abhob. Himbeeren und Brombeeren, süß und sonnengereift, aber mit einem kräftigen grasigen Unterton, wie zerdrückte Gräser und Dornen. Burgunder und Wein und das Grün der Schatten. Augen geschlossen, Samtdecke bis zum Kinn hochgezogen, inhalierte ich seinen Duft mit so tiefen Atemzügen, dass mir allmählich ein wenig schwindelig davon wurde.
Das Holz wölbte sich noch ein wenig mehr in meine Richtung. Ich wich einen Schritt zurück.
Die Tür glitt zur Seite, und da stand er.
Wir musterten einander in der Stille. Er lehnte am Türrahmen, lässig, aber konzentriert. Er war nicht viel größer als ich, doch auf einmal fühlte ich mich ziemlich klein, angesichts seines intensiven Blickes und seines zielstrebigen Willens, den schon das Bild im Medaillon so treffend eingefangen hatte.
Seine Augen waren dunkel geworden, so grau und stürmisch wie das Meer vor den Bullaugen, gefangen und unendlich zugleich. Die Augenbrauen, die mir zuerst grausam erschienen waren, wirkten nun elegant, fähig, mit der kleinsten Regung Bände auszudrücken. Seine Lippen waren nur leicht geöffnet, und ich wollte sie küssen.
Nein, ich wollte sie beißen, sie ärgern .
Ich wollte sie beißen? Das war ja merkwürdig.
Aber es spielte keine Rolle. Ich atmete tief ein und nahm noch mehr von seinem Duft in mich auf. Mein Blick richtete sich auf den offenen Kragen seines Hemdes, der so sorglos rebellisch wirkte. Sein Haar hatte sich gelöst und fiel ihm über die Schultern. Es war glatt, fein und dunkel, und meine Hand löste sich wie von selbst von der Decke, um es zurückzustreichen. Er schloss die Augen, als meine nackte Haut sein Kinn streifte.
Halb erwartete ich einen Stromschock, aber diesmal kam keiner. Die Elektrizität zwischen uns hatte nichts mit Prophezeiungen zu tun – und ich brauchte keine Vision, die mir sagte, was als Nächstes passieren würde.
Ich hielt den Atem an, als die Decke um mich herabfiel, und er sie gerade noch mit der Hand auffing. Wir hielten beide inne – meine Hand, die kaum merklich sein Gesicht berührte, und seine Hand, die die Decke hielt, während die Luft zwischen uns vibrierte wie die Saite eines Musikinstruments.
Ich senkte den Blick und streckte die Hand aus, um ihm die Decke abzunehmen. Er ließ nicht los. Ich zog ein wenig, mied aber immer noch seinen Blick. Und dann zog er seinerseits ein wenig, zog mich an seine Brust, überließ mir die Decke und schlang seine Arme um mich. Ich war gefangen.
Mein Kopf lag unter seinem Kinn, und als meine Nase seine Kehle streifte, ertappte ich mich dabei, wie ich an seinem Hals schnupperte. Ich fühlte mich wie betrunken, benebelt, schwindelig. Er schluckte schwer, als ich leicht benommen meine Wange an seinem Schlüsselbein rieb, und ich fühlte, wie seine Muskeln sich anspannten. Er war wie ein gefangenes Tier, kaum unter Kontrolle.
Dann wich er ein wenig zurück, legte seine behandschuhten Hände um mein Kinn und hob mein Gesicht. Ich bebte, hielt aber die Augen geschlossen.
»Sieh mich an«, bat er; seine Stimme war belegt und rau, unwiderstehlich.
Ich atmete aus und wappnete mich für seinen Anblick, dann
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