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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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zu denken. Wahrscheinlich haben sie nicht gut vorausgeplant.«
    »Trotzdem, selbst vom Leuchtturm aus haben wir keinen einzigen Menschen gesehen«, sagte ich.
    »Dazu habe ich eine Theorie«, meinte er. »Aber sie ist nicht schön.«
    Ich blieb stehen und sah ihn an. Er war beunruhigt, mehr als ich ihn je gesehen hatte.
    »Die Uhrwerke sind inzwischen recht gut, weißt du. Die Mechaniker sind auf dem neuesten Stand, was Begabung und Raffinesse angeht. Sag mir, wenn du Maschinen einsetzen könntest anstelle von gefährlichen Arbeitern, die kaum zu bändigen sind, was würdest du mit den Arbeitern machen? Du kannst sie nicht gehen lassen – blutdürstig, mittellos und voller Groll.«
    Ich starrte ihn einfach nur an, die Zähne zusammengepresst.
    Er betrachtete den Rauch, der sich von tief in der Stadt erhob, und fragte mich, leiser: »Riechst du das? Riecht das nicht wie Fleisch?«
    »Willst du damit sagen, dass die Verantwortlichen dort die Arbeiter eingesperrt und Feuer gelegt haben?«, fragte ich ungläubig.
    »Am Ende wird die Geschichte von den Siegern geschrieben. Sie werden es eine blutige Revolution nennen und zu Helden werden, die die Stadt sichergemacht haben für die unschuldigen, harmlosen Pinkies. Und es ist ja so jammerschade, dass Darkside Brighton den Feuern der aufständischen Arbeiter zum Opfer fiel.«
    »Können wir ihnen helfen?«, fragte ich. »Können wir irgendetwas tun?«
    Criminy drehte sich zu mir um, seine Züge versteinert vor Wut und Anteilnahme. »Wir tun schon etwas«, sagte er. »Der Mann, der dein Medaillon hat, ist der Drahtzieher hinter jeder Gräueltat, die heute den Bludleuten zugefügt wird. Wahrscheinlich hat er diesen Aufstand geplant. Er ist der Anführer, und er ist nicht mehr weit von hier, auf einer Insel in der Falle. Dein Medaillon zurückzuholen ist nicht mein einziges Ziel.«
    In seiner Entschlossenheit lag eine grimmige Schönheit, eine Willenskraft, die mir aus dem Herzen sprach. Zum vielleicht ersten Mal sah ich ihn an und erblickte nichts von einem Monster, Scharlatan oder Schwindler – nur einen Mann, und einen starken dazu. In diesem Moment wäre ich ihm überallhin gefolgt. Doch nun wandte er sich zum Meer.
    Unser Streifzug am Hafen entlang führte uns an Kuttern und Ruderbooten vorbei zu einem eleganten, etwa zwölf Meter langen U-Boot aus Messing. Es war frisch poliert und glänzte, seine Hülle war makellos.
    »Das ist unser Mädchen«, sagte Criminy. »Je neuer das Modell, umso leichter zu steuern.«
    »Aber was ist, wenn jemand drinnen ist?«, fragte ich.
    »Dann helfen sie uns oder sterben«, antwortete er ungerührt, und zu meiner Überraschung stimmte ich ihm zu. Sang war keine Welt für Kompromisse.
    Das Boot lag größtenteils unter Wasser, nur etwa ein halber Meter befand sich über den dunkelgrauen Wellen. Es war oval geformt, mit einem Propeller hinten und einem glänzenden Periskop vorne. Direkt unter der Wasseroberfläche war ein Glasfenster mit Instrumententafeln zu sehen. Das Schiff wirkte verlassen. Und der Himmel wurde immer dunkler.
    Criminy sprang aufs Dach und begann an einem Messingrad zu drehen. Es ächzte und knarrte, und dann, mit einem Plopp, öffnete sich die Tür. Um den Rand konnte ich einen Streifen aus karmesinrotem Samt sehen, was mich irgendwie an das Maul einer Katze erinnerte.
    Ich wollte da nicht runter, mich von dem Boot verschlucken lassen und unter Wasser fahren, wo wir verwundbar und gefangen wären. Ich wollte ein hübsches, luftiges Schiff mit Segeln, Rettungsbooten und Schwimmwesten. Aber ich nahm an, für jemanden wie Criminy, der nicht im Meer schwimmen konnte, war dieses Fahrzeug sicherer. Wir mussten eben beide Risiken auf uns nehmen.
    Er verschwand über die Leiter nach unten, und ich beobachtete die Docks, bis er wiederkam. Nervös stieg ich auf die Messinghülle und folgte ihm dann nach unten ins Schiff. Der karmesinrote Samt setzte sich innen fort und bedeckte Wände und Decken. Der Fußboden war aus dunklem Holz, mit Orientteppichen in der Mitte.
    »Ich kann keine lebende Seele auf dem Boot riechen«, versicherte Criminy, »aber bleib trotzdem auf der Hut. Wenn es um blinde Passagiere auf einem U-Boot geht, kann man gar nicht vorsichtig genug sein.«
    Das U-Boot wirkte nicht so sehr wie ein Boot, sondern mehr wie ein Apartment. An den Wänden hingen Gemälde, Fotos in merkwürdigen Sepiatönen und Schaukästen mit bizarren Insekten, alles fest an die Samtwände geschraubt. Wir befanden uns im Wohnraum, wo ein

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