Blutlinie der Götter: Die Berrá Chroniken Band 1 (German Edition)
keine Anzeichen dafür, dass der Feind sich in dieser Gegend aufhält, aber wir wissen nicht was sonst noch auf dieser Insel lebt. Ein Spähtrupp, den wir aussandten, kam nicht mehr zurück. Wir wissen nicht ob sie sich verlaufen haben oder einem Hinterhalt zum Opfer fielen. Deswegen müssen wir Acht geben wo wir uns bewegen.“ Malek stand auf und steckte sich die kleine Karte wieder unter seinen Kürass. „Iss auf und dann ruhe dich noch ein wenig aus. Es wird bald hell werden und dann wird es eine Weile dauern bis du wieder rasten kannst.“
Mit einem nachdenklichen Gesicht zog sich der Gruppenführer der
Blutschwerter
zurück. Obwohl Alkeer noch nicht wieder bei vollen Kräften war, beschloss er aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen. Seine Muskeln schmerzten und machten es nicht gerade angenehm im weichen Sand zu laufen. Sein Blick wandte sich zu den funkelnden Sternen am Nachthimmel und er versuchte sich vorzustellen jetzt nicht auf dieser Insel, sondern auf dem Grashügel neben der Scheune zu stehen, die er vor einiger Zeit mit seinem Vater erbaut hatte. Je länger er seiner Heimat fernblieb, umso größer wurde die Sehnsucht nach seinen Eltern und seinen kleinen Brüdern. Früher konnte er es kaum erwarten in die weite Welt hinauszuziehen. Doch nun wünschte er sich nichts sehnlicher als nach Hause zurückzukehren und mit seiner Familie die nächste Aussaat vorzubereiten. Dass ihm die staubige Erde und die harte Arbeit einmal fehlen würden, daran hätte er im Leben nicht gedacht.
Sein Spaziergang hatte ihn auf einen Felsen geführt, der einen kleinen Überblick über die nächste Umgebung darbot. Der Mond schien so hell, dass Alkeer sich an dem nächtlichen Bild dieser Insel erfreuen konnte. Jetzt erst bemerkte er, dass sich das Nachtlager in einer kleinen Senke befand. Nördlich und südlich erhoben sich zwei Felsvorsprünge, auf denen Gér Malek Wachen postiert hatte. Die Senke sollte anscheinend verhindern, dass man das Feuer aus der Ferne erblicken konnte. Was hinter den hohen Felsen lag konnte Alkeer nicht erkennen, doch der Anblick, welcher sich ihm im Westen bot, entschädigte ihn dafür. Ein dichter Wald aus hohen Bäumen erstreckte sich vor ihm. Er hatte von solchen Bäumen schon einmal gehört. Man nannte sie „Schwarzeschen“. Sie wuchsen nur an wenigen Orten auf der Welt. Auf
Obaru
soll es sie auch einmal gegeben haben. Jedoch haben die Holzfäller sie alle umgelegt, da ihre Stämme eine begehrte Handelsware darstellten. Alkeer erinnerte sich als Kind einmal eine Geschichte über diese Bäume gehört zu haben. Es hieß, dass die Schwarzeschen ein Zeichen des Gottes Rykanos sind. Alkeer dachte angestrengt nach wie die alte Legende lautete, welche er vor so vielen Jahren gehört hatte. Er setzte sich in das weiche Gras und richtete seinen verträumten Blick auf den Wald. In seinen Gedanken war er jedoch woanders. Er sah sich als Kind in der Hütte eines alten Mannes sitzen. Zusammen mit den anderen Kindern und Jünglingen der Umgebung trafen sie sich oft hier und lauschten den Geschichten und den Liedern des alten Kauzes. Immer roch es hier nach Kräutertee mit süßem Honig, den er für die Kinder machte. Er selbst tat sich des Öfteren auch ein wenig Branntwein in seinen heißen Tee. Alkeer wusste noch, dass der Alte nach dem zweiten oder dritten Becher immer ein Lied anstimmte, bei dem alle Kinder mitsingen mussten. Doch nicht an dem Abend als die Kinder die Legende der Schwarzeschen hörten.
Während sein Geist die Vergangenheit durchstreifte, konnte Alkeer den süßen Honig und den heißen Kräutertee riechen. Das wärmende Feuer im Kamin der Hütte und das Geräusch des Windes, der durch die Bäume rauschte, waren beinahe greifbar. Dann versank alles in tiefer Schwärze und er hörte nur noch die Stimme des alten Mannes wie sie die Legende der Schwarzeschen erzählte.
„
Ihr Kinder seid jung und eure aufregendsten Tage liegen noch vor euch. Lasst euch von einem alten Mann eine Geschichte erzählen, die euch vielleicht eines Tages eure Seele retten wird. In der alten Zeit, lange bevor ihr oder ich geboren wurden, gab es keine Kontinente so wie heute. Es gab nur ein großes Land und es trug den Namen Berrá. Es war so groß, dass ein schneller Reiter viele Zyklen gebraucht hätte um von einem Ende an das andere zu kommen. Jenseits dieses göttlichen Landes lag das Meer und trennte die verborgene Welt von Berrá ab. Kein Mensch hat es je gewagt sich in ein Schiff zu setzen und jenes
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