Blutmale
Taschenlampe auf die Wand. »Da sind ein paar davon.«
Jane trat näher, den Blick auf die Symbole gerichtet, die tief in die Bretterwand geritzt worden waren. Die drei Kreuze von Golgatha. Aber das hier war eine pervertierte Version - die Kreuze standen auf dem Kopf.
»Da oben sind auch noch welche«, sagte Mrs. Bongers und leuchtete auf eine Stelle weiter oben an der Wand, wo noch mehr Kreuze ins Holz geritzt waren. »Er musste auf einen Stapel Strohballen klettern, um die zu schnitzen. So ein Aufwand - man sollte meinen, dass diese verzogenen Jugendlichen anderes zu tun hätten.«
»Wie kommen Sie darauf, dass das Jugendliche waren?«
»Wer soll es denn sonst gewesen sein? Es war Sommer, da langweilen die sich doch alle zu Tode. Haben nichts Besse res zu tun, als rumzustreunen und Sachen in die Wände zu schnitzen. Und solche komischen Talismane in die Bäume zu hängen.«
Jane sah sie erstaunt an. »Was für Talismane?«
»Na, solche Figürchen aus Zweigen und so 'n Zeug. Unheimliche kleine Dinger. Die Leute vom Sheriffbüro haben bloß drüber gelacht, aber mir hat das gar nicht gefallen, wie ich sie da an den Zweigen hab baumeln sehen.« Sie hielt bei einem der Symbole inne. »Da, so wie das da.«
Es war eine Art Strichmännchen, das ein Schwert in der Hand zu halten schien. Darunter stand ins Holz eingeritzt: RXX-VII.
»Was immer das zu bedeuten hat«, meinte Mrs. Bongers.
Jane wandte sich zu ihr um. »Ich habe in der Zeitung gelesen, in derselben Nacht sei auch eine Ihrer Ziegen verschwunden. Haben Sie die irgendwann wieder eingefangen?«
»Nein, wir konnten sie nicht mehr finden.«
»Sie ist einfach spurlos verschwunden?«
»Na ja, hier in der Gegend streunen Rudel von wilden Hunden herum. Wenn die über was herfallen, bleibt kein Fetzen übrig.«
Aber das war kein Hund , dachte Jane, deren Blick wieder zu den Schnitzereien ging. Da klingelte plötzlich ihr Handy, und sofort liefen die Ziegen in Panik in die andere Ecke des Verschlags, wo sie sich meckernd zusammendrängten. »Entschuldigung«, murmelte Jane. Sie zog das Telefon aus der Tasche, überrascht, dass sie hier draußen überhaupt Empfang hatte. »Rizzoli.«
Es war Frost. »Ich hab mein Bestes getan«, sagte er.
»Wieso hört sich das wie der Auftakt zu einer Entschuldigung an?«
»Weil ich bei der Suche nach Lily Saul bis jetzt nicht viel Glück hatte. Sie scheint ziemlich viel in der Weltgeschichte herumzureisen. Wir wissen, dass sie sich die letzten acht Monate in Italien aufgehalten hat. Aus dieser Zeit haben wir Belege über Abhebungen an Geldautomaten in Rom, Flo renz und Sorrent. Aber ihre Kreditkarte benutzt sie nur selten.«
»Acht Monate als Touristin unterwegs? Wie kann sie sich das leisten?«
»Sie reist auf die billige Tour. Und ich meine richtig billig. Nur viertklassige Hotels. Außerdem kann es sein, dass sie da drüben illegal jobbt. Ich weiß, dass sie in Florenz kurze Zeit als Assistentin eines Museumsdirektors gearbeitet hat.«
»Hat sie denn eine entsprechende Ausbildung?«
»Sie hat einen Collegeabschluss in Klassischer Altertumswissenschaft. Und als Studentin hat sie bei einer Ausgrabung in Italien mitgearbeitet. Paestum, so hieß der Ort.«
»Wieso schaffen wir es nicht, sie zu finden?«
»Mir scheint, sie will nicht gefunden werden.«
»Okay. Was ist mit ihrem Cousin, Dominic Saul?«
»Oh. Der ist ein echtes Problem.«
»Du hast nicht zufällig auch ein paar gute Nachrichten für mich?«
»Ich habe mir eine Kopie seiner Schulpapiere von der Putnam Academy besorgt. Das ist ein Internat in Connecticut. Im zehnten Schuljahr war er dort für ungefähr sechs Monate eingeschrieben.«
»Da war er also wie alt - fünfzehn oder sechzehn?«
»Fünfzehn. Er hat das Schuljahr normal beendet und sollte im folgenden Herbst wiederkommen. Was er aber nicht tat.«
»Das war der Sommer, als er bei den Sauls wohnte. In Purity.«
»Richtig. Der Vater des Jungen war gerade gestorben, also hat Dr. Saul ihn für den Sommer zu sich genommen. Als der Junge im September nicht ins Internat zurückkam, hat die Put nam Academy versucht, ihn ausfindig zu machen. Schließlich erhielten sie einen Brief von seiner Mutter, mit dem sie ihn von der Schule nahm.«
»Und auf welche Schule ist er dann gegangen?«
»Das wissen wir nicht. Die Putnam Academy sagt, sie sei nie aufgefordert worden, die Unterlagen des Jungen weiterzuleiten. Und das ist die letzte Spur, die ich von ihm finden konnte.«
»Was ist mit seiner Mutter? Wo
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