Blutmale
dekorativer Gaslaternen glänzte. Was auffiel, war das Fehlen jeglicher Weihnachtsdekoration. Dies war die einzige Haustür in der ganzen Straße, an der kein Kranz hing. Durch die großen Erkerfenster sah sie das Flackern eines Kaminfeuers, aber keine funkelnden Christbaumkerzen.
»Dr. Isles?«
Sie hörte das Quietschen eines Metallscharniers und erblickte einen Detective, der gerade das schmiedeeiserne Tor an der Seite des Hauses geöffnet hatte. Roland Tripp war einer der älteren Beamten des Morddezernats, und heute Abend sah man ihm jedes seiner Jahre an. Er stand unter der Gaslaterne, deren Schein seiner Haut einen Stich ins Gelbliche verlieh, während er seine ausgeprägten Tränensäcke und schlaffen Lider betonte. Trotz seiner dicken Daunenjacke schien er zu frieren, und er biss beim Sprechen die Zähne zusammen, als wollte er sie am Klappern hindern.
»Das Opfer ist dahinten«, sagte er und hielt ihr das Tor auf.
Maura ging hindurch, und das Tor fiel hinter ihnen scheppernd ins Schloss. Er führte sie zu dem schmalen Grundstücks-streifen an der Seite des Hauses. Im zuckenden Lichtstrahl seiner Taschenlampe sah sie, dass der Weg seit dem letzten Schneesturm geräumt worden war und die Ziegelsteine nur mit einer dünnen Puderschicht bedeckt waren. Tripp blieb ste hen und richtete die Taschenlampe auf einen niedrigen Schneehaufen am Rand des Wegs. Auf den roten Farbspritzer.
»Das war es, was den Butler alarmiert hat. Er hat diesen Blutfleck entdeckt.«
»Hier gibt es einen Butler?«
»O ja. Hier wohnt richtig viel Geld.«
»Was macht er denn? Der Mann, dem dieses Haus gehört?«
»Er sagt, er sei Geschichtsprofessor im Ruhestand. Hat am Boston College gelehrt.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass man als Geschichtsprofessor so gut verdient.«
»Sie müssen sich mal drinnen umsehen. Das ist nicht das Haus eines Professors. Der Mann muss noch andere Geldquellen haben.« Tripp leuchtete eine Seitentür an. »Der Butler ist hier rausgekommen, mit einem Müllsack in der Hand. Als er auf die Mülltonnen dort zuging, fiel ihm auf, dass das Tor offen stand. Da hat er zum ersten Mal geahnt, dass irgendwas nicht stimmt. Er ist also hierher zurückgekommen und hat sich umgeschaut. Hat das Blut entdeckt und gewusst, dass etwas Ernstes passiert sein muss. Und dann sieht er, dass da noch mehr Blut ist, eine regelrechte Spur, die sich über diesen Ziegelweg bis hinters Haus zieht.«
Maura starrte auf den Boden. »Das Opfer wurde über diesen Weg geschleift.«
»Ich zeig's Ihnen.« Detective Tripp ging weiter zur Rückseite des Hauses, wo sie in einen kleinen Garten traten. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe strich über vereiste Stein-platten und Blumenbeete, die zum Schutz vor Frost mit Kiefernzweigen abgedeckt waren. In der Mitte des Gartens stand eine weiße Laube. Im Sommer war dies sicherlich ein wunderbares Plätzchen zum Entspannen, wo man mit einer Tasse Kaffee im Schatten sitzen und die Düfte des Gartens einatmen konnte.
Aber die Frau, die jetzt in der Laube lag, würde nie wieder atmen.
Maura zog ihre Wollhandschuhe aus und streifte Latexhandschuhe über, die keinerlei Schutz vor dem eisigen Wind boten. Sofort waren ihre Hände wie tiefgefroren. Sie ging in die Hocke und zog die Plastikplane zurück, die über die reglose Gestalt gebreitet war.
Detective Eve Kassowitz lag flach auf dem Rücken, die Arme angelegt, das blonde Haar mit Blut verfilzt. Sie war dunkel gekleidet - Wollhose, Marinejacke und schwarze Stiefel. Die Jacke war aufgeknöpft, der Pullover halb nach oben geschoben, sodass die nackte, blutbeschmierte Haut zu sehen war. Sie hatte ihr Holster umgeschnallt, und die Waffe steckte noch darin. Doch es war das Gesicht der Toten, an dem Mauras Blick haften blieb, und was sie da sah, ließ sie entsetzt zurückprallen. Der Täter hatte der Frau die Augenlider abgeschnitten, und ihre weit aufgerissenen Augen starrten ins Leere. Die Rinnsale getrockneten Blutes an den Schläfen sahen aus wie rote Tränen.
»Ich habe sie erst vor sechs Tagen gesehen«, sagte Maura. »An einem anderen Tatort.« Sie blickte zu Tripp auf. Sein Gesicht war im Schatten verborgen, und sie sah nur die massige Silhouette, die vor ihr aufragte. »Das war drüben in East Boston.«
Er nickte. »Eve war erst vor ein paar Wochen zu uns gekommen. Sie war vorher beim Drogen- und Sittendezernat.«
»Hat sie hier in der Gegend gewohnt?«
»Nein, Ma'am. Sie hatte eine Wohnung in Mattapan.«
»Und was hat sie dann hier auf
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