Blutmale
Wunder, dass sein früherer Partner sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen ließ.« Er schnaufte, und weißer Dampf wirbelte in die Nachtluft auf. »Ich finde, wir sollten Crowe turnusmäßig im Dezernat herumreichen. Um die Last ein bisschen zu verteilen. Dann können wir uns abwechselnd mit unserem jungen Adonis herumschlagen.«
»Glauben Sie mir, ich hab mich schon mehr mit ihm herumgeschlagen, als ich verdient habe«, sagte Jane. Sie richtete ihren Blick auf Eve Kassowitz' Leiche, und ihre Stimme wurde leiser. »Er hat sich ihr gegenüber wie ein Arschloch be nommen. Das war doch Crowes Idee, oder nicht? Dieser Kotzkübel auf dem Empfangstresen?«
»Ja«, gab Tripp zu. »Aber wir sind alle irgendwie verantwortlich. Vielleicht läge sie jetzt nicht hier, wenn …« Er seufz te. »Sie haben recht. Wir haben uns alle wie Arschlöcher be nommen.«
»Detective Tripp sagte, sie sei hier gewesen, um an dem Fall zu arbeiten«, sagte Maura. »Gibt es irgendeinen konkreten Hinweis darauf?«
»O'Donnell«, antwortete Jane. »Sie war einer der Dinnergäste heute Abend.«
»Kassowitz hat sie beschattet?«
»Wir hatten kurz über die Möglichkeit einer Observierung gesprochen. Es war nur eine Überlegung. Sie hat mir nicht gesagt, dass sie vorhatte, die Idee in die Tat umzusetzen.«
»O'Donnell war also hier in diesem Haus?«
»Sie ist immer noch drin. Wird gerade vernommen.« Janes Blick richtete sich wieder auf die Tote. »Wenn du mich fragst - O'Donnells treuer Fan hat ihr gerade wieder ein Op fer dargebracht.«
»Du denkst, es ist derselbe Täter.«
»Ich weiß, dass er es ist.«
»Wir haben hier Verstümmelungen an den Augen, aber keine Zerstückelung. Keine ritualistischen Symbole wie in East Boston.«
Jane sah Tripp an. »Haben Sie es ihr nicht gezeigt?«
»Ich hatte es gerade vor.«
»Was sollte er mir zeigen?«, fragte Maura.
Jane leuchtete mit ihrer Taschenlampe die Hintertür des Hauses an. Was Maura dort sah, jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. An der Tür prangten drei auf dem Kopf stehende Kreuze. Und darunter war mit roter Kreide ein starrendes Auge gezeichnet.
»Ich würde sagen, das ist das Werk unseres Burschen«, sagte Jane.
»Es könnte ein Nachahmungstäter sein. Mehrere Personen haben diese Symbole in Lori-Ann Tuckers Schlafzimmer gesehen. Und Cops plaudern gerne.«
»Wenn du immer noch nicht überzeugt bist …« Jane richtete den Strahl ihrer Lampe auf den Fuß der Tür. Auf der Granitstufe vor der Schwelle lag ein kleines, in Stoff eingeschlagenes Bündel. »Wir haben es gerade so weit ausgewickelt, dass wir sehen konnten, was drin ist«, sagte Jane. »Ich glaube, wir haben Lori-Ann Tuckers linke Hand gefunden.«
Ein plötzlicher Windstoß fegte durch den Garten und wirbelte eine Wolke von Schnee auf, der Maura in den Augen brannte und ihre Wangen zu Eis erstarren ließ. Tote Blätter raschelten auf der Terrasse, und die Laube über ihnen zitterte und knarrte.
»Habt ihr die Möglichkeit bedacht«, sagte Maura leise, »dass dieser Mord von heute Abend gar nichts mit Joyce O'Donnell zu tun haben könnte?«
»Natürlich ging es um sie. Kassowitz folgt O'Donnell bis hierher. Der Mörder sieht sie, erwählt sie zu seinem nächs ten Opfer. Wie man's dreht und wendet, man stößt immer wieder auf O'Donnell.«
»Er könnte Kassowitz aber auch an Heiligabend gesehen haben. Sie war dort am Tatort. Es ist doch möglich, dass er Lori-Ann Tuckers Haus beobachtet hat.«
»Sie meinen, weil er den ganzen Trubel genießen wollte?«, fragte Tripp.
»Ja. Er genoss die Tatsache, dass all die Aufregung, der ganze Polizeieinsatz, nur ihm galt. Dem, was er getan hatte. Was für ein Machtgefühl.«
»Er folgt also Kassowitz hierher«, sagte Tripp, »weil sie ihm an diesem Abend aufgefallen ist? Mann, das lässt die Sache ja in einem ganz anderen Licht erscheinen.«
Jane sah Maura an. »Das bedeutet, dass er jede und jeden von uns beobachten könnte. Er kennt inzwischen unsere Gesichter.«
Maura bückte sich und zog die Plane wieder über die Leiche. Ihre Hände waren wie abgestorben, und ihre Finger wollten ihr nicht recht gehorchen, als sie die Latexhandschuhe abstreifte und wieder in ihre Wollhandschuhe schlüpfte. »Ich bin halb erfroren, und ich kann hier draußen nichts weiter tun. Wir sollten sie einfach ins Leichenschauhaus fahren. Und ich muss erst mal meine Hände auftauen.«
»Hast du schon Bescheid gesagt, dass sie abgeholt werden soll?«
»Die Kollegen sind
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