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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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war. Und so machte sie sich auf den Weg und drehte sich nicht mehr um. Wie zuvor schritt sie den Gehweg entlang, passierte die Lichtinseln der Straßenlaternen. Hinter ihr der Wagen, in dem Daniel saß; vor ihr die tote Frau, die auf sie wartete. Und all die Polizisten, die am Tatort herumstanden. Worauf warteten sie? Auf Antworten, die sie ihnen vielleicht nicht geben könnte?
    Sie hüllte sich fester in ihren Mantel, wie um sich gegen ihre durchdringenden Blicke zu wappnen, und dachte an Heiligabend zurück, an eine andere Leiche, einen anderen Tat ort. An Eve Kassowitz, wie sie an jenem Abend auf der Straße gestanden und ihren Mageninhalt in den Schnee erbrochen hatte. Hatte Kassowitz auch nur den Hauch einer Vorahnung gehabt, dass sie das nächste Objekt von Mauras Aufmerksamkeit sein würde?
    Die Polizisten versammelten sich schweigend vor dem Eingang, als das Team vom Leichenschauhaus die Bahre mit den sterblichen Überresten von Eve Kassowitz aus dem Garten zur Straße rollte. Als der verhüllte Leichnam durch das schmie deeiserne Tor geschoben wurde, standen sie mit entblößten Häuptern im eisigen Wind, eine feierliche Abordnung in blauer Uniform, die sich versammelt hatte, um eine der ihren zu ehren. Auch nachdem die Bahre im Wagen verschwunden war und die Türen geschlossen waren, trat keiner von ihnen aus der Reihe. Erst als die roten Lichtpunkte der Rücklichter in der Dunkelheit verschwunden waren, setzten sie die Mützen wieder auf und begannen, zu ihren Streifenwagen auszuschwärmen.
    Auch Maura war im Begriff, zu ihrem Auto zurückzugehen, als die Tür des Hauses plötzlich aufging. Sie hob den Kopf, als ein warmer Lichtschein in die Nacht herausdrang, und sah die Silhouette eines Mannes im Türrahmen stehen. Er blickte sie an.
    »Verzeihung. Sind Sie Dr. Isles?«, fragte er.
    »Ja?«
    »Mr. Sansone möchte Sie einladen, in sein Haus zu kommen. Hier drin ist es wesentlich wärmer, und ich habe gerade eine Kanne frischen Kaffee gekocht.«
    Sie stand unschlüssig am Fuß der Treppe und blickte zur Tür hinauf, zu dem warmen Lichtschein, der den Diener umgab. Er stand kerzengerade da und beobachtete sie, und dabei hielt er sich so unheimlich still, dass sie sich an eine lebensgroße Statue erinnert fühlte, die sie einmal in einem Scherzartikelladen gesehen hatte, einen Pappmaschee-Butler, der ein Tablett mit Gläserattrappen hielt. Sie spähte die Straße hi-nun ter zu ihrem Wagen. Daniel war schon gegangen, und alles, was sie erwartete, war eine einsame Heimfahrt und ein leeres Haus.
    »Danke«, sagte sie und stieg die Stufen hinauf. »Eine Tasse Kaffee kann ich jetzt gut gebrauchen.«

12
    Sie trat in den warmen Salon. Ihr Gesicht war noch taub vom schneidend kalten Wind. Erst als sie vor dem Kamin stand und wartete, während der Butler sie bei Mr. Sansone meldete, kehrte das Gefühl allmählich in ihre Wangen zurück, und sie spürte das angenehme Prickeln der wiederbelebten Nerven, der frisch durchbluteten Haut. Aus dem Nebenzimmer hörte sie gedämpfte Gesprächsfetzen - Detective Crowes Stimme, scharf und bohrend, die Antworten leiser, kaum vernehmlich. Eine Frauenstimme. Im Kamin sprühten Funken aus den knackenden Holzscheiten, und Rauch quoll auf - ein echtes Feuer, wie Maura mit Erstaunen registrierte, und nicht etwa ein künstlicher Gaskamin, wie sie zunächst vermutet hatte. Das alte Ölgemälde, das über dem Sims hing, sah aus, als könnte es durchaus ebenfalls echt sein. Es war das Porträt eines Mannes in einer Robe aus weinrotem Samt, der ein goldenes Kruzifix um den Hals trug. Obgleich er nicht mehr jung war und in seinem dunklen Haar Silberfäden schimmerten, loderte in seinen Augen ein jugendliches Feuer. Im flackernden Lichtschein, der den Raum erfüllte, wirkten diese Augen verblüffend lebendig und durchdringend.
    Mit einem Schauder wandte sie sich ab. Seltsam, wie der Blick eines Mannes, der gewiss längst tot war, sie so einschüchtern konnte. Das Zimmer bot noch andere Merkwürdigkeiten, andere Schätze, die zu näherer Betrachtung einluden. Sie sah Polsterstühle mit gestreiftem Seidenbezug, eine chinesische Vase, deren Porzellan auch nach Jahrhunderten noch in leuchtenden Farben glänzte, und einen Serviertisch aus Rosenholz, darauf eine Zigarrenkiste und eine Kristallkaraffe mit Brandy. Der Teppich, auf dem sie stand, war auf einem Streifen entlang der Mitte stark abgetreten, ein Hinweis auf sein Alter und die zahllosen Schuhe, die darüber hinweggegangen waren, doch die

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