Blutmale
kohlschwarzen Augen auf Maura geheftet. »Sie haben die Symbole gesehen, die an meine Hintertür gezeichnet wurden?«
»Ich kann nicht darüber reden …«
»Dr. Isles, Sie werden keine Geheimnisse preisgeben. Ich habe die Leiche gesehen. Und Dr. O'Donnell hat sie auch gesehen. Als Jeremy die Frau fand, kam er sofort herein, um es uns zu sagen.«
»Worauf Sie und O'Donnell wie neugierige Touristen hi naus gerannt sind, um die Leiche mit eigenen Augen zu se hen.«
»Mit Touristen haben wir wirklich nicht das Geringste gemein.«
»Haben Sie keinen Gedanken an die Fußabdrücke verschwendet, die Sie vielleicht vernichten würden? An die Mikrospuren, die Sie kontaminieren könnten?«
»Uns war sehr wohl bewusst, was wir taten. Wir mussten den Tatort in Augenschein nehmen.«
»Sie mussten?«
»Dieses Haus ist nicht nur mein Wohnhaus. Es ist auch ein Treffpunkt für Kollegen aus der ganzen Welt. Die Tatsache, dass sich eine solche Gewalttat im wahrsten Sinne des Wortes vor unserer Haustür ereignet hat, beunruhigt uns.«
»Jeder wäre beunruhigt, wenn er eine Leiche in seinem Garten fände. Aber die meisten Leute würden nicht gleich mit ihren Gästen hinausrennen, um sie zu begaffen.«
»Wir mussten wissen, ob es sich lediglich um einen willkürlichen Gewaltakt handelte.«
»Im Gegensatz wozu?«
»Im Gegensatz zu einer Warnung - einer speziell an uns ge richteten Warnung.« Er setzte seine Kaffeetasse ab und fixierte sie mit einer solchen Intensität, dass es ihr schien, als fessle sein Blick sie an den gepolsterten Lehnstuhl. »Sie haben doch die mit Kreide gezeichneten Symbole an der Tür gesehen? Das Auge. Die auf dem Kopf stehenden Kreuze?«
»Ja.«
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass sich an Heiligabend eine ähnliche Bluttat ereignet hat. Das Opfer war ebenfalls eine Frau, und im Schlafzimmer waren auch umgedrehte Kreuze an die Wand gemalt.«
Es war nicht nötig, dass sie seine Angaben bestätigte - dieser Mann hatte die Antwort gewiss schon an ihrer Miene abgelesen. Sie konnte seinen bohrenden Blick, der mehr sah, als ihr lieb war, beinahe körperlich spüren.
»Wir können uns ruhig darüber unterhalten«, sagte er. »Die relevanten Fakten sind mir bereits bekannt.«
»Woher kennen Sie sie? Wer hat sie Ihnen verraten?«
»Menschen, denen ich vertraue.«
Sie lachte ungläubig. »Und zu denen gehört Dr. O'Donnell?«
»Ob Sie sie mögen oder nicht, sie ist eine Autorität auf ihrem Gebiet. Sehen Sie sich nur ihre umfangreichen Arbeiten über Serienmörder an. Sie versteht diese Geschöpfe.«
»Manche würden sagen, dass sie sich mit ihnen identifiziert.«
»Auf einer gewissen Ebene ist das wohl unumgänglich. Sie hat keine Scheu, in die Köpfe dieser Menschen einzudrin gen. Und jede ihrer Gehirnwindungen unter die Lupe zu nehmen.«
So, wie Maura selbst sich vor wenigen Augenblicken von San sones Blick durchleuchtet gefühlt hatte.
»Um solche Monster wirklich zu kennen, muss man selbst eines sein«, sagte Maura.
»Glauben Sie das wirklich?«
»Was Joyce O'Donnell betrifft: Ja, das glaube ich wirklich.«
Er beugte sich noch weiter vor und senkte die Stimme zu einem vertraulichen Raunen. »Könnte es sein, dass Ihre Abneigung gegen Joyce rein persönlicher Natur ist?«
»Persönlich?«
»Weil sie so viel über Sie weiß? Über Ihre Familie?«
Maura starrte ihn nur sprachlos an.
»Sie hat uns von Amalthea erzählt«, sagte er.
»Dazu hatte sie kein Recht.«
»Die Tatsache, dass Ihre Mutter eine Haftstrafe verbüßt, ist kein Staatsgeheimnis. Wir alle wissen, was Amalthea getan hat.«
»Das ist mein Privatleben …«
»Ja, und sie ist einer Ihrer privaten Dämonen. Das verstehe ich.«
»Warum zum Teufel interessieren Sie sich eigentlich dafür?«
»Weil ich mich für Sie interessiere. Sie haben dem Bösen ins Auge geblickt. Sie haben es im Gesicht Ihrer Mutter gesehen. Sie wissen, dass es da ist, in Ihrem Stammbaum. Das ist es, was mich fasziniert, Dr. Isles - Ihre Herkunft sollte Sie zur Gewaltverbrecherin prädestinieren, und doch arbeiten Sie auf der Seite der Engel.«
»Ich arbeite auf der Seite der Wissenschaft und der Vernunft, Mr. Sansone. Engel haben damit nichts zu tun.«
»Nun gut, Sie glauben also nicht an Engel. Aber glauben Sie an deren Gegenspieler?«
»Sie meinen Dämonen ?« Sie lachte. »Natürlich nicht.«
Er betrachtete sie eine Weile, und sein Blick verriet leise Enttäuschung. »Da Ihre Religion offenbar Wissenschaft und Vernunft sind, wie Sie es ausdrücken,
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