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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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frage ich Sie: Welche wis senschaftliche Erklärung gibt es für das, was heute Abend in meinem Garten passiert ist? Für das, was an Heiligabend mit dieser anderen Frau passiert ist?«
    »Sie verlangen von mir, das Böse zu erklären.«
    »Ja.«
    »Das kann ich nicht. Das kann auch die Wissenschaft nicht. Es existiert einfach.«
    Er nickte. »Das stimmt genau. Es existiert einfach, und es hat uns schon immer begleitet. Ein reales Wesen, das unter uns lebt, das uns nachstellt. Das auf die Chance lauert, seine Gier zu stillen. Die meisten Menschen wissen nichts von seiner Gegenwart, und sie erkennen es nicht einmal, wenn sie auf Tuchfühlung mit ihm sind, wenn es ihnen auf der Straße begegnet.« Seine Stimme war jetzt nur noch ein Flüstern. In der plötzlichen Stille hörte sie das Knistern der Flammen im Kamin, das Gemurmel der Stimmen im Nebenzimmer. »Aber Sie erkennen es«, sagte er. »Sie haben es mit eigenen Augen ge sehen.«
    »Ich habe nur das gesehen, was jeder Polizist vom Morddezernat auch gesehen hat.«
    »Ich spreche nicht von alltäglichen Verbrechen. Nicht von Menschen, die ihren Ehepartner ermorden, oder von Drogendealern, die sich die Konkurrenz vom Hals schaffen. Ich spreche von dem, was Sie in den Augen Ihrer Mutter gesehen haben. Von dem, was darin aufscheint - kein göttlicher Funke, sondern der Widerschein der Verworfen heit.«
    Ein Windstoß heulte im Kamin, und ein Ascheregen sprühte gegen den Schirm. Die Flammen erzitterten, als schreckten sie vor einem unsichtbaren Eindringling zurück. Es wurde plötzlich kalt im Zimmer, als sei alle Wärme, alles Licht daraus gewichen.
    »Ich verstehe sehr gut«, sagte er, »warum Sie nicht über Amalthea sprechen möchten. Es ist ein furchtbares Erbe.«
    »Sie hat nichts damit zu tun, wer ich bin«, erwiderte Maura. »Sie hat mich nicht großgezogen. Bis vor wenigen Monaten habe ich noch nicht einmal von ihrer Existenz gewusst.«
    »Und doch reagieren Sie empfindlich auf das Thema.«
    Sie hielt seinem Blick stand. »Es ist mir vollkommen gleichgültig.«
    »Ich finde es merkwürdig, dass es Ihnen gleichgültig ist.«
    »Wir erben nicht die Sünden unserer Eltern. Genauso wenig wie ihre Tugenden.«
    »So manches Erbe ist zu mächtig, als dass man es ignorieren könnte.« Er deutete auf das Gemälde über dem Kamin. »Sechzehn Generationen trennen mich von diesem Mann. Und doch werde ich seinem Vermächtnis nie entrinnen können. Nichts kann mich von dem, was er getan hat, reinwaschen.«
    Maura starrte das Porträt an. Wieder fiel ihr die verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem lebenden Mann, der ihr gegenübersaß, und dem Gesicht auf der Leinwand auf. »Sie sagten, das Gemälde sei ein Erbstück.«
    »Keines, über das ich mich sehr gefreut hätte.«
    »Wer war er?«
    »Monsignore Antonino Sansone. Dieses Porträt wurde 1561 in Venedig gemalt. Auf dem Höhepunkt seiner Macht. Oder, wenn Sie so wollen, auf dem Tiefpunkt seiner Verderbtheit.«
    »Antonino Sansone? Ihr eigener Name?«
    »Ich bin sein direkter Nachfahre.«
    Sie sah das Bild stirnrunzelnd an. »Aber er …«
    »Er war Priester. Das wollten Sie doch sagen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wenn ich Ihnen die ganze Geschichte erzählen wollte, würden wir bis morgen früh hier sitzen. Ein andermal vielleicht. Sagen wir einfach nur, dass Antonino kein frommer Mann war. Er hat anderen Menschen Dinge angetan, die Sie zweifeln lassen würden, ob es überhaupt so etwas gibt wie …« Er hielt inne. »Ich bin nicht stolz darauf, ihn zum Ahnen zu haben.«
    »Und doch hängen Sie sein Porträt in Ihrem Haus auf.«
    »Als Mahnung.«
    »Woran?«
    »Sehen Sie ihn sich an, Dr. Isles. Er gleicht mir, nicht wahr?«
    »Die Ähnlichkeit ist geradezu unheimlich.«
    »Wir könnten tatsächlich Brüder sein. Das ist der Grund, weshalb er dort hängt. Um mich daran zu erinnern, dass das Böse ein menschliches Antlitz hat, vielleicht sogar ein freundliches Gesicht. Sie könnten an diesem Mann vorbeigehen, könnten sehen, wie er Sie anlächelt, und Sie würden nie erraten, was er über Sie denkt. Sie können ein Gesicht so lange studieren, wie Sie wollen, und doch werden Sie nie erfahren, was sich hinter der Maske verbirgt.« Er neigte den Kopf, und sein Haar reflektierte die Flammen im Kamin wie ein silberner Helm. »Sie sehen alle aus wie wir, Dr. Isles«, sagte er leise.
    »Sie? So, wie Sie es ausdrücken, könnte man meinen, es handle sich um eine eigene Spezies.«
    »Das sind sie vielleicht auch. Relikte einer längst

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