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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wun derbaren Illusion hinzugeben, dass es jemanden gab, der sie beschützen konnte.
    »Wenn du eine Unterkunft brauchst«, sagte der Fahrer, »ich habe eine Wohnung in der Stadt.«
    »Danke, aber das ist nicht nötig.«
    »Du hast also schon was?«
    »Ich habe … Freunde. Sie haben mir angeboten, dass ich bei ihnen wohnen kann.«
    »Wie ist denn die Adresse? Ich kann dich hinbringen.«
    Er wusste, dass sie log. Er stellte sie auf die Probe.
    »Nein, wirklich«, sagte er. »Das ist kein Problem für mich.«
    »Lass mich einfach am Bahnhof raus. Sie wohnen ganz in der Nähe.«
    Wieder streifte sein Blick ihr Gesicht. Seine Augen gefie len ihr nicht. Sie sah Niedertracht darin, wie das Blitzen in den Augen einer zusammengerollten Schlange, die jeden Moment zuschnappen konnte.
    Plötzlich zuckte er mit den Schultern und grinste, als sei es ihm vollkommen gleichgültig.
    »Warst du schon mal in Rom?«
    »Ja.«
    »Du sprichst sehr gut Italienisch.«
    Aber nicht gut genug , dachte sie. Sobald ich den Mund auf mache, weiß jeder, dass ich Ausländerin bin.
    »Wie lange wirst du in der Stadt bleiben?«
    »Ich weiß nicht.« So lange, bis es nicht mehr sicher ist. So lange, bis ich meinen nächsten Schritt geplant habe.
    »Falls du mal Hilfe brauchst, ruf mich einfach an.« Er zog eine Visitenkarte aus der Hemdtasche und reichte sie ihr. »Da hast du meine Handynummer.«
    »Ich werde mich bestimmt mal melden«, sagte sie und steckte die Karte in ihren Rucksack. Sollte er ruhig ein bisschen träumen. So würde sie ihn nachher leichter loswerden.
    Am Bahnhof Roma Termini stieg sie aus dem Lkw und winkte ihm zum Abschied zu. Sie konnte seinen Blick im Rücken spüren, als sie die Straße überquerte und auf das Bahnhofsgebäude zuging. Sie drehte sich nicht um, sondern ging ohne anzuhalten hinein. Erst drinnen spähte sie durch die Scheibe zu dem Lkw zurück. Da sah sie ihn stehen und warten. Na los , dachte sie. Fahr schon. Sieh zu, dass du verschwin dest.
    Hinter dem Lkw hupte ein Taxi. Jetzt erst fuhr er weiter.
    Sie trat aus dem Bahnhof hinaus auf die Piazza della Repubblica und blieb stehen, wie betäubt von den Scharen von Menschen um sie herum, der Hitze, dem Lärm, den Abgaswolken. Kurz vor ihrer Abreise aus Florenz hatte sie es riskiert, an einem Geldautomaten dreihundert Euro abzuheben. Jetzt kam sie sich richtig reich vor. Wenn sie sorgsam damit umginge, könnte sie mit dem Geld zwei Wochen lang auskommen. Sich von Brot und Käse und Kaffee ernähren, nur in den Touristenhotels der untersten Kategorie übernachten. Das hier war die richtige Gegend, wenn man eine billige Unterkunft suchte. Und bei den Massen von ausländischen Touristen, die ständig am Bahnhof ankamen und abreisten, könnte sie mühelos untertauchen.
    Aber sie musste auf der Hut sein.
    Sie blieb vor einem Kramladen stehen und überlegte, wie sie am leichtesten ihr Äußeres verändern könnte. Die Haare färben? Nein. In einem Land voller dunkelhaariger Schönheiten wäre es das Beste, wenn sie brünett bliebe. Andere Kleider vielleicht. Kleider, in denen sie nicht mehr ganz so amerikanisch aussähe. Weg mit den Jeans, stattdessen ein billiges Kleid gekauft. Sie verschwand in einem verstaubten Laden, und als sie eine halbe Stunde später wieder herauskam, trug sie ein Kittelkleid aus blauer Baumwolle.
    In einem Anfall von Luxus gönnte sie sich anschließend einen Riesenberg Spaghetti Bolognese, ihre erste warme Mahlzeit seit zwei Tagen. Die Soße war mittelmäßig, die Pasta mat schig und verkocht, aber sie schlang alles restlos hinunter, wischte mit dem altbackenen Brot auch noch das letzte Krümelchen Fleisch aus dem Teller. Mit vollem Bauch, die Hitze wie eine drückende Last auf ihren Schultern, schleppte sie sich anschließend auf der Suche nach einem Hotel müde durch die Straßen. Sie fand eines in einer schmutzigen Seitengasse. Hunde hatten vor dem Eingang ihre stinkenden Souvenirs hinterlassen. An den Fenstern flatterte Wäsche, und um einen Mülleimer, der von Küchenabfällen und Glasscherben überquoll, summten die Fliegen.
    Perfekt.
    Das Zimmer, das man ihr gab, ging auf einen düsteren Innenhof. Während sie ihr Kleid aufknöpfte, beobachtete sie durchs Fenster eine magere Katze, die sich auf etwas Klei nes stürzte - was es war, konnte sie auf die Entfernung nicht erkennen. Ein Knäuel Bindfaden? Eine todgeweihte Maus?
    In der Unterwäsche ließ sie sich auf die klumpige Matratze fallen und lauschte dem Rattern der

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