Blutmale
Fenster-Klimaanlagen, das vom Hof hereindrang, dem Gehupe und dem Getöse der Busse auf den Straßen der Ewigen Stadt. Eine Stadt mit zweieinhalb Millionen Einwohnern ist ein guter Ort, wenn man für eine Weile untertauchen will, dachte sie. Hier wird mich so leicht niemand finden.
Nicht einmal der Teufel.
15
Edwina Felway wohnte im Bostoner Vorort Newton. Ihr Grundstück grenzte an das schneebedeckte Areal des Braeburn Country Club, mit Blick auf den östlichen Arm des Cheesecake Brook, der jetzt ein glitzerndes Band aus Eis war. Es war zwar nicht das größte Haus in dieser Straße, in der sich eine prächtige Villa an die andere reihte, doch hob es sich durch einige ebenso ausgefallene wie reizvolle Details von seinen stattlicheren Nachbarn ab. Eine Glyzinie rankte sich mit dicken Ästen an der Fassade empor. Wie gichtige Finger krallten sich die Ranken ins Mauerwerk und schienen auf die warme Frühlingssonne zu warten, die ihre knotigen Gelenke auftauen und die Blüten hervorlocken würde. Von einem Giebel blickte ein großes rundes Buntglasfenster he rab wie ein vielfarbiges Auge. Unter dem spitzen Schieferdach funkelten Eiszapfen wie eine gezackte Zahnreihe. Im Garten erhoben Skulpturen ihre eisverkrusteten Köpfe aus dem Schnee, als seien sie gerade aus dem Winterschlaf erwacht: eine geflügelte Fee, mitten im Flug erstarrt; ein Drache, dessen feuriger Atem vorübergehend erloschen war; eine gertenschlanke Maid, deren Blumenkranz der Winter in eine Krone aus Schneeglöckchen verwandelt hatte.
»Was schätzt du?«, fragte Jane, als sie durchs Autofenster zu dem Haus aufblickte. »Zwei Millionen? Zweieinhalb?«
»In dieser Gegend, direkt am Golfplatz? Eher vier, wenn du mich fragst«, antwortete Barry Frost.
»Für dieses komische alte Haus?«
»Ich glaube gar nicht, dass es so alt ist.«
»Na ja, aber irgendjemand hat sich viel Mühe gegeben, um es auf alt zu trimmen.«
»Es hat Atmosphäre, würde ich sagen.«
»Genau. Schneewittchen und die sieben Zwerge würden sich wie zu Hause fühlen.« Jane lenkte ihren Wagen in die Einfahrt und parkte neben einem Kleinbus. Als sie ausstie gen und auf das gründlich gestreute Kopfsteinpflaster traten, bemerkte Jane die Behinderten-Plakette hinter der Windschutz scheibe des Busses. Sie spähte durch das Heckfenster und entdeckte eine Hebebühne.
»Hallo, sind Sie die Herrschaften von der Kriminalpolizei?«, ertönte eine kräftige Stimme. Die Frau, die auf der Veranda stand und ihnen zuwinkte, war offensichtlich nicht körperbehindert.
»Mrs. Felway?«, sagte Jane.
»Ja. Und Sie müssen Detective Rizzoli sein.«
»Und das ist mein Kollege Barry Frost.«
»Vorsicht, die Pflastersteine könnten glatt sein. Ich versuche die Einfahrt regelmäßig zu streuen, damit meine Gäste nicht ausrutschen, aber eigentlich gibt es keinen Ersatz für zweckmäßiges Schuhwerk.« Zweckmäßig war genau das richtige Wort für Edwina Felways Garderobe, wie Jane bemerkte, als sie die Stufen zur Veranda hinaufstieg, um der Frau die Hand zu schütteln. Mit ihrer ausgebeulten Tweedjacke, der Wollhose und den Gummistiefeln sah sie aus wie eine englische Farmersfrau - eine Rolle, für die sie ihr Akzent ebenso zu prädestinieren schien wie ihr Outfit. Sie musste mindestens sechzig sein, doch sie hielt sich kerzengerade und war von kräftiger Statur, mit männlich-breiten Schultern und einem ebenmäßigen Gesicht, das in der Kälte eine gesunde Röte zeigte. Das graue, zu einem sauberen Pagenschnitt frisierte Haar war mit Schildpattspangen zurückgesteckt, sodass Jane das Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen und den klaren blauen Augen ungehindert studieren konnte. Diese Frau hatte kein Make-up nötig; sie war auch so eine auffallende Erscheinung.
»Ich habe schon den Kessel aufgesetzt«, sagte Edwina, während sie ihre Besucher ins Haus führte. »Falls Sie eine Tasse Tee möchten.« Sie schloss die Tür, zog ihre Stiefel aus und schlüpfte in ein Paar abgewetzte Pantoffeln. Aus dem Obergeschoss war aufgeregtes Hundegebell zu hören. Dem Klang nach musste es sich um ziemlich große Exemplare handeln. »Oh, ich habe sie im Schlafzimmer eingesperrt. In Gegenwart von Fremden haben sie sich manchmal nicht so ganz unter Kontrolle. Und sie sind ziemlich furchteinflößende Kreaturen.«
»Sollen wir unsere Schuhe ausziehen?«, fragte Frost.
»Ach Gott, nein, vergessen Sie's. Die Hunde gehen hier sowieso ständig aus und ein und schleppen mir Sand ins Haus. Da kann ich mit dem
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