Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
nichts«, sagt sie und greift nach ihrem Cognacglas.
»Ist das nicht ein bisschen sehr hart?«, frage ich.
»Herr Meyerink versteht mit so etwas überhaupt keinen Spaß«, antwortet Frau Hoffschulte. »Da ist er gnadenlos. Und der Rest der Familie hat sich ihm nicht widersetzt ... Aber Piachen, du musst mir wirklich versprechen, dass du das niemandem erzählst. Vor allem nicht, dass ich dir das gesagt habe. Dass würde Herr Meyerink mir nie verzeihen.«
Ich lege meinen Arm um sie. »Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen«, sage ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
Als ich die Treppe zur Galerie hochlaufe, in Gedanken noch mit Renates Halbbruder beschäftigt, registriere ich aus den Augenwinkeln, dass die Tür zu Jochens Schlafzimmer offen steht. Vorsichtig spähe ich hinein. Sicherheitshalber rufe ich seinen Namen. Nicht dass er plötzlich nackt vor mir steht. Obwohl das wahrscheinlich gar kein so übler Anblick wäre. Doch in die Verlegenheit komme ich nicht. Jochen scheint tatsächlich noch in der Firma zu sein.
Das bringt mich auf eine Idee. Ich könnte sein Zimmer einer genauen Inspektion unterziehen. Dabei möchte ich aber ungern überrascht werden. Ich gehe zurück zur Tür und lausche. Nichts rührt sich. Also nutze ich die Gunst der Stunde und lege mich so richtig ins Zeug. Es gibt keine Schublade, kein Schrankfach, das ich nicht durchforste, keine Socke, keine Unterhose, kein Unterhemd, das ich nicht filze, keine Jacke und Hose, die ich nicht gründlich durchwühle. Selbst die Angelausrüstung, die in einer Ecke steht, sehe ich mir genau an. Aber ich finde nichts von Belang. Keine Waffe, keine Fotos, keine Tagebuchaufzeichnungen, keine Briefe, nichts, was mir weiterhelfen könnte. Nun gut, denke ich, ich habe es versucht, es hat nicht funktioniert. Dann gehe ich eben wieder.
An der Tür drehe ich mich noch einmal um und lasse den Blick durch den Raum schweifen. An dem glatt gestrichenen Kopfkissen und der sorgfältig zurückgeschlagenen Decke auf Jochens Bett bleibt er hängen. Frau Hoffschulte hat das Bett für die Nacht hergerichtet, wie es das Zimmermädchen in einem Luxushotel nicht besser hätte machen können. Mir fällt etwas ein. Als ich das letzte Mal hier gewesen bin, lagen eine sehr dekorative Tagesdecke und jede Menge farblich passender Kissen auf dem Bett. Ich sehe mich suchend um. Wo lässt Frau Hoffschulte Daunenkissen und Federbett tagsüber verschwinden? Es gibt nur eine Möglichkeit: ein Bettkasten.
Ich gehe zurück, taste die Bettkante ab, finde eine Schlaufe und ziehe daran. Das Gestell mit der Matratze schwingt nach oben und gibt den Blick auf das Innenleben des Kastens frei. Dort liegt neben einer Wolldecke, einer Wärmflasche, der Tagesdecke und den Kissen ein kleiner, brauner Lederkoffer mit einem Zahlenschloss. Ich probiere ein paar nahe liegende Zahlenkombinationen aus. Zum Beispiel: eins, zwei, drei, vier oder viermal die Null, viermal die Eins, viermal die Zwei etc. Meine Versuche sind nicht von Erfolg gekrönt. Bis ich auf die Idee komme, es mit Jochens Geburtsdatum zu probieren. Doch auch das klappt nicht auf Anhieb. Erst nach etlichen Durchgängen merke ich, dass Jochen bei der Zusammenstellung des Zahlencodes zwar seinen Geburtstag, aber nicht seinen Geburtsmonat, sondern den von Renate, eingegeben hat. Nach schweißtreibenden zehn Minuten bin ich endlich am Ziel. Der Koffer liegt offen vor mir. Und ich bin enttäuscht. Was ich finde, sind Bücher. Die allerdings sind vom Feinsten. Literatur für den anspruchsvollen Sadomasochisten. Ich nehme ein paar in die Hand und sehe mir die Titel an. Der Liebe ganze Härte, Die Wahl der Qual, Devotes Blut, Schwarze Anblicke, Die Lust an der Unterwerfung, Brennende Fesseln und so weiter und so weiter.
Als ich den Stoß wieder zurücklegen will, bemerke ich den Hefter. Er muss unter den Büchern gelegen haben. Innerlich aufs Schlimmste gefasst, wie zum Beispiel auf unappetitliche Fotos, nehme ich ihn heraus und bin erleichtert, nur ein paar Papiere zu finden. Als ich jedoch die Überschrift auf der ersten Seite lese, muss ich mich hinsetzen. Da steht tatsächlich: SKLAVENVERTRAG!
Also stimmte Dracus Geschichte von diesem ominösen Vertrag. Ich atme einmal tief durch und beginne mit der Lektüre:
Gegenstand dieses Vertrags ist es, die Sklavin Renate Averbeck zum willigen und stets verfügbaren Sexspielzeug ihres Ehemanns Jochen Averbeck zu machen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
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