Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
getroffen habe.«
Brünstrup legte die Kopie eines Porträtfotos auf den Tisch. »Ist das der Mann?«
»Ja.«
Stürzenbecher rieb sein massiges Kinn. »Du hast mit Wegener persönlich gesprochen, du Idiot. Und gibst ihm einen Tag Zeit zu verschwinden, bis du mich anrufst.«
»Woher sollte ich denn wissen, dass es Wegener war?«
»Sie haben Informationen zurückgehalten und vermutlich Beweismittel unterschlagen«, meinte Brünstrup. »Ich denke, wir sollten das Gespräch im Präsidium fortsetzen.«
Ich ignorierte die Kommissarin. »Entschuldige«, wandte ich mich an Stürzenbecher, »würdest du damit rechnen, dass jemand, der ein Fünfhunderttausend-Euro-Apartment am Aasee besitzt, den Kuhstall seiner Schwester ausmistet?«
»Ich denke nicht bei der Arbeit«, sagte er. »Ich gehe Spuren nach.«
»Chef!«, bettelte Brünstrup. »Es reicht für eine Festnahme.«
»Das entscheide immer noch ich«, knurrte der Hauptkommissar. Und zu mir: »Ich habe dich gewarnt, Wilsberg.«
»Ich bin ja bereit zu kooperieren«, erwiderte ich. »Und im Übrigen ist das nicht mehr mein Fall. Meine Auftraggeber haben mir gekündigt.«
»Dann sagen Sie uns doch, wer die Frau war, die Sie begleitet hat!«, schaltete sich Brünstrup ein.
»Welche Frau?«
»Hör auf, dich dumm zu stellen!«, schnauzte Stürzenbecher.
»Ach so, die Frau meinst du. Das war Franka.«
»Nein. Marie Niehues hat die Frau beschrieben: Ende dreißig, ungefähr so groß wie du. Franka ist zehn Jahre jünger und einen Kopf kleiner.«
»Handelt es sich um dieselbe Frau, die auch ihre Fingerabdrücke am Türpfosten von Wegeners Wohnung hinterlassen hat?«, fragte Brünstrup.
Ich schwieg.
»Chef!«, forderte Brünstrup.
»Verdammt nochmal, Brünstrup, hören Sie auf!«, fuhr Stürzenbecher sie an.
»Ich mache euch ein Angebot«, schlug ich vor. »Vergessen wir die Frau und ich liefere euch eine brandneue Spur.«
»Sie sind nicht in der Position, mit uns zu handeln«, sagte Brünstrup.
»Rede!«, sagte Stürzenbecher.
»Jochen Averbeck hatte was mit der ermordeten Verkäuferin aus dem SM-Laden.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Brünstrup. »Ist das wieder so ein anonymer Hinweis?«
»Ja. Und Sie können mich im Präsidium grillen und schmoren, so lange Sie wollen. Meine Quellen gebe ich nicht preis. Ich besitze nämlich so etwas wie Berufsehre, verstehen Sie?«
»Weiter!«, drängte Stürzenbecher.
»Meine Augenzeugin hat Averbeck und die Verkäuferin zusammen gesehen. Sie weiß außerdem, dass Averbeck irgendwo in Münster eine Wohnung nutzt, in der er sich mit ihr getroffen hat. Und jetzt kommt Volker Wegener ins Spiel. Wie ich dir bereits erzählt habe, kennen sich die beiden seit fast zwanzig Jahren.«
»Du vermutest also, dass Averbeck seine Freundin in Wegeners Wohnung gebracht hat?«, folgerte Stürzenbecher.
»Ja. Zumal sich Wegener in den letzten Jahren überwiegend in Südamerika aufgehalten hat. Die Wohnung war ein ideales Liebesnest.«
Stürzenbecher dachte nach. »Selbst wenn Averbeck die Wohnung genutzt hat und selbst wenn er mit der Verkäuferin befreundet war, heißt das noch lange nicht, dass er sie auch umgebracht hat. Als du die Leiche gefunden hast, war er nämlich in Argentinien.«
Ich versteckte meine Überraschung hinter einem unbeteiligten Gesichtsausdruck. »Wann ist er geflogen?«
»Am Abend vorher.«
»Und wie lange war die Verkäuferin tot, als ich euch angerufen habe?«
»Sechzehn bis achtzehn Stunden, da legen sich die Rechtsmediziner nicht so genau fest.«
»Heißt das, er hätte es schaffen können?«
»Knapp.«
»›Knapp‹ klingt für mich anders als ›unmöglich‹.«
Stürzenbecher stöhnte. »Um gegen jemanden wie Averbeck zu ermitteln, brauche ich die Rückendeckung des Staatsanwalts. Und der kriegt Magenschmerzen, wenn ich ihm von unbekannten Augenzeuginnen erzähle.«
»Könnt ihr nicht wenigstens Averbecks Fingerabdrücke mit denen vergleichen, die ihr in der Wohnung gefunden habt?«
»Und wie soll ich an seine Fingerabdrücke kommen? Soll ich seine Kaffeetasse aus der Firma klauen?« Der Hauptkommissar stand auf.
Brünstrup zeigte mit dem Finger auf mich. »Sie wollen ihn doch damit nicht durchkommen lassen?«
»Ich sehe keinen Grund für eine Festnahme«, sagte Stürzenbecher.
»Das können Sie nicht machen, Chef.«
»Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie mir nicht dauernd widersprechen würden, Brünstrup.«
An der Wohnungstür ließ Stürzenbecher die Kommissarin vorausgehen,
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