Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
erzählen?«
»Wissen Sie das oder ist das nur eine Vermutung?«
»Ich habe die beiden zusammen gesehen«, sagte Kyoko. »Es war eindeutig, dass sie etwas miteinander hatten. Und mir ist bekannt, dass Jochen irgendwo in Münster eine Wohnung benutzt, wo er sich mit seinen Freundinnen trifft.«
»Wissen Sie, was mich an der Geschichte stört?«, sagte ich. »Dass Sie damit Ihren Freund Dracu entlasten.«
Kyoko trat die Zigarette aus. »Vergessen Sie Dracu! Ich spiele gern mit ihm, aber mein Freund ist er nicht.«
Das hatte ich auch schon mal gehört. »Okay. Ich werde der Polizei Ihre Beobachtung mitteilen. Ohne Ihren Namen zu erwähnen, natürlich.«
Sie lächelte tapfer, obwohl sie in ihrem dünnen Latex-Outfit fror. »Können Sie nicht mehr tun?«
»Nein. Für mehr werde ich nicht bezahlt.«
»Schade.« Sie ließ mich stehen und ging mit kleinen Schritten zum Club zurück.
Ich beobachtete sie, bis sie im Eingang verschwunden war. Dann warf ich den Zigarillo weg und setzte mich in meinen Wagen. Eines hatte Kyoko immerhin geschafft: Ich dachte schon wieder über den Fall nach.
25
Pia Petry findet einen Sklavenvertrag
Leise schleiche ich die Treppe hinauf, setze ganz vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Bemüht, nur ja keinen Krach zu machen, niemanden aufzuwecken. Doch meine Anstrengungen sind vergebens.
»Wie siehst du denn aus!«, ertönt es plötzlich hinter mir.
Erschrocken fahre ich herum. Frau Hoffschulte steht im Bademantel, mit in die Hüften gestemmten Fäusten in der Küchentür und schüttelt missbilligend den Kopf. Dass ihr mein SM-Outfit nicht gefällt, kann ich ihr nicht verdenken. Von meinem viel zu stark geschminkten Gesicht einmal ganz abgesehen.
»Wieso sind Sie denn noch auf?«, frage ich. »Es ist doch schon halb zwölf.«
»Ich kann nicht schlafen, solange nicht alle in ihren Betten liegen«, sagt sie, dreht sich um und geht in die Küche zurück. »Willst du einen Cognac?«
»Rotwein wäre mir lieber«, antworte ich und folge ihr.
Auf dem Küchentisch stehen eine Flasche Remy Martin und ein halb volles Glas. Daneben liegt eine aufgeschlagene Zeitung. Sie hat tatsächlich auf mich gewartet. Wie eine Mutter auf ihre halbwüchsige Tochter.
»Wegen mir hätten Sie doch nicht ...«, fange ich an.
»Denk dir mal nix«, sagt sie. »Jochen ist auch noch nicht da. Zurzeit arbeitet er abends immer sehr lange.«
Während sie mir ein Glas und eine Karaffe mit Rotwein bringt, lasse ich mich auf einen der Stühle fallen und streife die viel zu hohen Stilettos von den Füßen. »O Gott, tut das gut«, stöhne ich erleichtert.
Frau Hoffschulte wirkt immer noch nicht besänftigt. »Piachen, Piachen. So kriegst du nie einen Mann. Zumindest keinen vernünftigen.« Nachdenklich mustert sie mich. »Warum bist du eigentlich immer noch nicht verheiratet?«
Mir schießt die Röte ins Gesicht. Verdattert suche ich nach Worten: »Ich hab, ähh ... den Richtigen, ähh ... eben noch nicht gefunden ... ähh.«
»Du bist nicht ewig jung und hübsch. Du kannst nicht ewig Kinder kriegen. Du musst dich langsam ein bisschen beeilen.«
Wenn ich gewusst hätte, welche Gesprächsthemen hier unten auf mich lauern, wäre ich gleich auf mein Zimmer gegangen.
»Das tue ich ja«, verteidige ich mich. »Aber das ist nicht so einfach.«
»Mein Egon, Gott hab ihn selig, und ich«, sagt sie und hebt den Blick zur Decke, »wir haben uns ja schon mit siebzehn Jahren kennen gelernt. In der Tanzstunde. Hab ich dir das schon mal erzählt?«
O ja, hat sie. Ich kenne die Geschichte. Ich kenne sie in- und auswendig. Sogar nach all den Jahren, die seit meinem letzten Besuch vergangen sind, kann ich mich noch an jedes Detail erinnern. Um diese nachtschlafene Zeit verkrafte ich das nicht. Ich verabschiede mich gedanklich in meine eigene Welt, installiere ein freundlich interessiertes Lächeln auf meinem Gesicht und beschäftige mich mit der SM-Fete. Mit Wilsberg, meinem Retter, und der Frage, was er, bitte schön, mit dieser unerträglichen Clara Heusken in diesem Monitorzimmer getrieben hat – bevor er mich in Lebensgefahr wähnte.
Frau Hoffschulte legt mir die Hand auf den Arm. Erschrocken sehe ich sie an. Was hat sie gesagt?
»Verstehst du?«, fragt sie.
Ich nicke. Das erscheint mir am unverfänglichsten.
»Renate und Jochen müssten einfach mehr Zeit miteinander verbringen. Dann wäre ihre Ehe besser und dann hätten sie vielleicht auch Kinder.«
Aha, denke ich, wir haben also die Egon-und-ich-Ebene
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