Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
das Geld hatte?“
Ben dachte nach und schwieg einen Moment. Dann sah er Paula kurz an und sah schnell wieder weg. Nachdenklich biss er sich auf die Unterlippe. „Wie viel Geld denn?“, hakte er nach, offensichtlich um Zeit zu gewinnen.
„Ben, es ist wichtig, es geht um den Tod deiner Schwester. Egal, was du weißt, du bekommst keinen Ärger“, setzte Paula nach.
Ben schwieg erneut. Zögernd begann er „Kate hatte da so einen Weg gefunden, um nebenher ein bisschen Geld zu verdienen. Sie hat mir davon erzählt, und ich habe ihr geholfen.“ Plötzlich klang Ben richtig stolz. „Mama nimmt ziemlich viele Tabletten.“ Ben machte eine Pause und schaute Paula an, um zu sehen, ob diese seinen Hinweis verstand. Paula schaute Ben jedoch verständnislos an.
„Ja, und?“, fragte sie.
„Mama bemerkt gar nicht, wenn da mal einige Lagen von den Tabletten fehlen. Sie bekommt sie vom Arzt verschrieben, so viel wie sie möchte. Und, hm, wenn man richtig damit umgeht, kann man die Tabletten rauchen. Man kann richtig high davon werden.“ Ben schaute nach unten und schwieg.
Paula ahnte, was jetzt kommen würde, konnte es aber nicht glauben. „Das heißt?“, hakte sie daher noch einmal nach.
„Die Tabletten lassen sich gut stückweise verkaufen. Sie haben einen richtig guten Marktwert, meine Mutter bekommt die Tabletten verschrieben und Kate hat immer ungefähr die Hälfte einer Packung verkauft. Ich habe ihr geholfen, die Tabletten zu verstecken. Mehr habe ich nicht gemacht.“ Den Tränen nahe saß Ben nun mit hängenden Schultern auf dem Bett.
Paula wusste zunächst nicht, was sie sagen sollte. Ungläubig wiederholte sie: „Ihr habt die Beruhigungsmittel eurer Mutter verkauft, ihr habt quasi damit gedealt? Und eure Mutter hat davon absolut nichts mitbekommen?“ Paula war fassungslos. Sie schluckte und dachte nach. Zumindest war das eine gute Erklärung für das Geld, das sie gefunden hatten. In dieser nach außen hin perfekt wirkenden Familie stimmte eigentlich gar nichts, wenn man sich die einzelnen Familienmitglieder genauer anschaute: der Vater bekam von dem ganzen Familienleben gar nichts mit, die Mutter war hochgradig süchtig und die schwangere Tochter dealte - gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder - mit den Tabletten der Mutter. Mit 16 Jahren. Paula atmete einige Male durch, um sich zu beruhigen.
„Gut. Vielen Dank, dass du mir davon erzählt hast, Ben. Jetzt denke bitte noch einmal ganz genau nach. Kate hatte ja ein Handy. Das können wir aber nirgendwo finden. Hast du noch eine Idee, wo wir danach suchen können?“
Paula sah sofort an Bens Reaktion, dass er ganz genau wusste, wo sich Kates Handy befand und atmete leise aus. Sie wollte den Jungen auf keinen Fall bedrängen, daher wartete sie ab, bis er von alleine etwas sagen würde.
Ben zupfte an seinem Pullover Ärmel und schaute auf den Boden. „Hm, ja, schon!“, sagte er leise.
„Das Handy könnte uns ein großes Stück weiterhelfen. Vielleicht finden wir irgendetwas darauf, das uns sagt, mit wem Kate an jenem Abend verabredet war, oder wer der Vater von Kates Baby ist.“ Erneut wartete Paula ab, bis der Junge von sich aus so weit war, fortzufahren.
„Ne, da ist nichts Besonderes drauf“, gab Ben zurück.
Paula musterte den Jungen intensiv. „Woher weißt du das denn so genau?“
„Ich habe es drüben liegen. Kate braucht es ja nicht mehr. Und ich darf noch kein Handy haben. Erst mit 12 hat Papa gesagt. Ich habe mir gedacht, dann kann ich auch Kates Handy nehmen. Dann muss Papa kein Neues kaufen und ich habe jetzt schon eins.“ Ben war dabei rot geworden. Er überlegte offensichtlich, ob er Paula vertrauen konnte.
Paula beruhigte ihn sofort. „Ich denke, das ist in Ordnung. Kate hätte nichts dagegen gehabt. Kannst du das Handy holen, wir müssen uns das Handy für kurze Zeit von dir ausleihen. Vielleicht ist etwas darauf, das für uns ganz wichtig ist, dir aber eher unwichtig erscheint.“
Ben verließ erneut kurz Kates Zimmer und kam einige Sekunden später mit dem Handy in der Hand zurück. Widerstrebend reichte Ben Paula das Handy. „Kann ich es denn wiederhaben, wenn Sie das Handy untersucht haben?“
„Ja, natürlich, Ben. Du bekommst es so schnell wie möglich wieder. Wir schauen uns den Verlauf an, mit wem Kate telefoniert hat und welche SMS sie geschrieben und empfangen hat. Danach bekommst du es wieder. Versprochen.“
Ben kaute an seiner Unterlippe. „Ich habe alles gelöscht“, sagte er kleinlaut. „Das ist ja jetzt mein Handy.
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