Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
Ich habe meine Nummern eingetragen und ihre Nachrichten und das Adressbuch gelöscht.“ Verlegen schaute er Paula an.
Paula versuchte ruhig zu bleiben. „Wir versuchen einfach mal, zu retten, was zu retten ist, ja? Wir haben dafür Experten, die können bestimmt noch damit arbeiten.“
„Nur die Videos, die darauf waren, die habe ich nicht gelöscht“, setzte Ben hinzu.
Kapitel 29
Sofort, nachdem Paula und Max im Polizeipräsidium angekommen waren, brachte Paula das Handy zur Technikabteilung, während Max schon einmal vorging. Sämtliche Inhalte, die noch auf dem Handy waren, wurden ausgewertet und vielleicht bestand auch die Möglichkeit, gelöschte Inhalte wiederherzustellen. Doch allzu viele Hoffnungen konnten ihr die Techniker nicht machen. Ben hatte ganze Arbeit geleistet.
Auf dem Weg zurück in ihr Büro musste Paula an Johannas Schreibtisch vorbei. Nervös dachte sie darüber nach, wie sie beide jetzt hier miteinander umgehen sollten. Unweigerlich kam ihr wieder Anne in den Sinn. Schon von weitem sah Paula Johanna an ihrem Schreibtisch sitzen, den Blick konzentriert auf den Bildschirm gerichtet. Als Johanna sie kommen sah, blickte sie auf. Ihr Mund verzog sich zu einem kaum wahrzunehmenden Lächeln, dann zwinkerte sie Paula zu und sagte mit halblauter Stimme: „Guten Morgen, Paula. Denkt ihr gleich bitte an den Termin bei Freyberg?“
Paula atmete einmal tief durch, nickte, grinste und erwiderte „Hallo, Johanna. Ja, natürlich. Vielen Dank.“ Dann betrat sie ihr Büro.
Max saß an seinem Schreibtisch und breitete den Inhalt der Tüte mit den Sachen vor sich aus, die Kate bei sich getragen hatte, als sie ermordet wurde.
„Ihr Handy hatte sie also nicht mitgenommen. Das hatte der Bruder zu Hause abgegriffen. Also hat sie sich doch mit jemandem getroffen, von dem sie wusste, dass er sie nicht noch einmal über das Handy kontaktieren würde. Weil er die Nummer nicht kannte, oder weil der Kontakt nicht eng genug war, um per Handy zu kommunizieren“, empfing sie Max.
„Sprichst du mit mir?“, fragte ihn Paula. „Womit habe ich das verdient? Du hast den ganzen Morgen kaum mit mir gesprochen. Nur weil ich zu spät gekommen bin. Mensch, Max.“
Max sah auf. „Okay, Entschuldigung angenommen. Aber das war heute wirklich nicht gerade das beste Timing. Gestern warst du auch schon zu spät. Gut, du hast im Moment eine schlechte Phase, das respektiere ich, aber trotzdem. Und damit ist das Thema für mich abgehakt. Wer weiß, was die Jungs aus der Technik auf dem Handy finden, mit etwas mehr Zeit hätten wir eventuell Freyberg gleich ein bisschen mehr liefern können, als das hier“, demonstrativ hielt er vier Seiten Papier hoch. „Autopsiebericht, Täterprofil, Opferprofil und Gesprächsprotokolle mit der Familie, den Lehrern und einigen Mitschülern. Ich kann mir jetzt schon ausmalen, was wir gleich zu hören bekommen.“
„Ja, mea culpa. Können wir uns dann jetzt wieder auf die Arbeit konzentrieren“, fragte Paula schärfer, als sie eigentlich wollte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Nicht nur weil sie zu spät gekommen war. Sie fühlte sich schlecht, weil sie mit Max nicht offen reden konnte. Sie hatte das Gefühl, ihn zu hintergehen.
Max ordnete die Dinge vor sich auf dem Schreibtisch. „Ein Portemonnaie, in dem aber fast nichts war. Zehn Euro und ein paar Münzen und ein Ultraschallbild ihres Babys. Dann hatte sie noch ihren Haustürschlüssel dabei.“ Max nahm das Ultraschallbild zur Hand und schaute es sich genau an. „Ob der Arzt uns weiterhelfen kann? Ohne potenziellen Vater wohl eher nicht“, er schüttelte den Kopf. „Du hättest die Mutter vorhin einmal erleben sollen, als du mit Ben oben warst. Der letzte Besuch war ja schon sehenswert, aber der heutige hat alles übertroffen.“
„Sie hat gerade ihre Tochter verloren, das sollten wir nicht vergessen, Max“, gab Paula zu bedenken.
„Das stimmt“, Max nickte, „aber dass sie komplett unterTranquilizer steht, und zwar dauerhaft, war uns doch schon nach dem ersten Besuch klar. Die armen Kinder. Man kann Kate nicht mal einen Vorwurf machen, finde ich. Kinder kommen dann auf solche Ideen. Die Mutter hat hier versagt.“
„Ja, du hast Recht. Trotzdem ist gerade ihre Tochter ermordet worden. Ich bin mir sicher, dass die Familie weiß, dass Frau Dreyer ein Suchtproblem hat. Ich kann den Arzt auch nicht verstehen. Er verschreibt ihr wahllos hochdosierte Beruhigungsmittel in Massen. Der Arzt ist ein Fall für die Ärztekammer.“
Max
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