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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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hoffte sie im Hintergrund ihres Bewußtseins,
daß sie vielleicht durch die Art und Weise, wie sie eine
Tür öffnete oder einem besonderen Pfad durch die
Straßen folgte, dem Weg zurück in die vertraute alte Welt
finden könne. Sie dachte nicht, daß es wahrscheinlich sei,
aber alles, was sie versuchte, war der Mühe wert.
    Es galt harte Entscheidungen zu treffen. Was nützte ihr alle
Ausbildung, wenn sie nicht selbständig denken und notwendige
Entschlüsse fassen konnte? Sie wollte nicht mehr in die
Küche, wenn es sich vermeiden ließ, aber dort waren
Lebensmittel. Sie konnte versuchen, in andere Häuser
einzudringen, oder sogar in den Lebensmittelladen am Ende des Blocks,
doch befürchtete sie, daß dort andere Körper liegen
würden.
    Diese Körper – lebendig oder tot – waren wenigstens
ihre Verwandten.
    Mit hoch erhobenem Kopf betrat sie die Küche.
Allmählich, als sie von der Anrichte zum Küchenschrank und
dann zum Kühlschrank ging, senkte sie den Blick. Die Körper
waren noch weiter in sich zusammengesunken. Kenneth war nicht viel
mehr als ein von weißlichen Fäden wie mit einem Geflecht
überzogener Flecken in zerknitterten Kleidern. Die fleischigen
Wurzeln hatten die Wasserleitung gesucht, waren direkt zum
Spülbecken hinaufgeklettert und von dort sowohl in den
Wasserhahn als auch in den Abfluß hinab. Jeden Augenblick
rechnete sie, daß etwas sich ausstrecken und nach ihr greifen
würde – oder daß Howard oder ihre Mutter zu
schwankenden Schreckensgestalten würden –, und sie
biß die Zähne zusammen, bis ihre Backenmuskeln schmerzten,
aber keiner von ihnen regte sich. Sie sahen nicht mehr so aus, als
könnten sie sich bewegen.
    Sie verließ die Küche mit einem Karton voller
Konserven, die sie in den nächsten Tagen zu benötigen
glaubte – und dem Dosenöffner, den sie beinahe vergessen
hätte.
    Es dämmerte bereits, als ihr einfiel, das Radio
einzuschalten. Sie hatten keinen Fernseher mehr, seit der letzte
defekt geworden war; sein Gehäuse stand im Hausgang unter der
Treppe und setzte hinter Schachteln mit alten Zeitschriften Staub an.
Sie zog das tragbare Transistorgerät hervor, das ihre Mutter
für Notfälle bereithielt, und suchte methodisch die Skalen
ab. In der Theatergruppe der Schule hatte sie einmal einen
Funkamateur gespielt, aber natürlich konnte das
Transistorgerät nicht senden.
    Auf Mittelwelle und Ultrakurzwelle spielte nicht ein einziger
Sender. Auf der Kurzwelle empfing sie verschiedene Stationen, einige
sogar sehr klar, aber es waren keine englischsprachigen Sender
darunter.
    Im Zimmer wurde es rasch dunkel. Sie stand Qualen der
Ungewißheit aus, bevor sie versuchte, die Lampen einzuschalten.
Würde es immer noch Licht geben, wenn alle krank waren?
    Als die Schatten das Wohnzimmer gefüllt hatten und dem
Dilemma nicht länger auszuweichen war – entweder
mußte sie im Dunkeln sitzen oder feststellen, ob sie im Dunkeln
würde sitzen müssen –, streckte sie die Hand zur
Stehlampe neben der Couch aus und betätigte rasch den
Schalter.
    Das Licht ging an, kräftig und gleichmäßig.
    Damit brach ein sehr schwacher Damm in ihr, und sie
überließ sich der Trauer. Auf der Couch sitzend,
schaukelte sie mit gekreuzten Beinen vor und zurück und weinte
herzzerreißend, bis ihr Gesicht tränenüberströmt
und die Augen rot und geschwollen waren. Ihre Hände flochten das
Haar zum Zopf und lösten ihn wieder auf und wischten damit die
Augen, und zuletzt hing es in feuchten Strähnen. Der
Lampenschein warf einen goldenen Halbmond auf ihr Gesicht, und sie
saß und weinte, bis die Kehle schmerzte und sie die Augen kaum
offenhalten konnte.
    Ohne zu essen, ging sie hinauf, schaltete alle Lampen ein –
jeder ruhige Lichtschein ein Wunder – und kroch in ihr Bett, wo
sie nicht schlafen konnte, weil sie sich einbildete, sie höre
jemand die Treppe heraufkommen oder den Korridor entlang zu ihrer
Tür gehen.
    Die Nacht währte eine Ewigkeit, und in dieser Zeit wurde Suzy
ein wenig reifer, oder ein bißchen verrückter, sie
wußte nicht, was. Manche Dinge waren nicht mehr wichtig. So war
sie beispielsweise durchaus bereit, ihr früheres Leben
zurückzulassen und eine neue Art Leben zu suchen. Sie machte
dieses Zugeständnis in der Hoffnung, daß derjenige, wer
immer er war, der die Aufsicht führte, einfach erlauben
würde, daß die Lichter weiterbrannten.
    Gegen Morgen war sie ein körperliches Wrack –
erschöpft und hungrig, aber unwillig zu essen, der ganze
Körper angespannt und

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