Blutmusik
Zeit.«
Hör gut auf den GOGARTY!
Bernard merkte auf und begann, den Worten des anderen mehr
Aufmerksamkeit zu schenken.
»Leider reicht meine Zeit nicht, Ihnen meine mathematischen
Berechnungen und die Wechselbeziehungen zur formalen
Informationsmechanik und Quanten-Elektrodynamik darzulegen… Und
ich fürchte, Sie würden nicht alles verstehen.«
»Ich höre, Professor Gogarty. Wir hören.«
Gogartys Augen weiteten sich. »Die… Noozyten? Haben sie
reagiert?«
»Sie haben ihnen nicht viel gegeben, worauf sie reagieren
könnten. Bitte fahren Sie fort, Professor!«
»Bisher war die dichteste Einheit der
Informationsverarbeitung auf dieser Welt das menschliche Gehirn
– man müßte vielleicht bestimmte Wale und Delphine
miteinbeziehen, aber ich würde sagen, daß in dem Bereich
nicht annähernd so viel Stimulus existiert, was auf die Menge
des verarbeiteten Materials nicht ohne Auswirkung bleiben kann.
Bleiben wir also bei den Menschen. Vier oder fünf Milliarden von
uns denken jeden Tag. Die Auswirkungen sind gering. Zeitspannungen,
kleine Erschütterungen, nicht einmal meßbar. Unsere
Beobachtungsfähigkeit – unsere Fähigkeit, effektive
Theorien zu formulieren – ist nicht hinreichend intensiv, um die
Auswirkung zu erzeugen, die ich in meiner Arbeit entdeckt habe.
Nichts im ganzen Sonnensystem, J vielleicht nicht einmal in der
Galaxis!«
»Sie schweifen ab, Professor Gogarty«, sagte
Paulsen-Fuchs. Gogarty nickte zerstreut, ohne den Blick von Bernard
zu wenden.
Er spricht von Interesse.
»Er kommt schon zur Sache, Heinz, drängen Sie ihn
nicht!«
»Danke. Ich danke Ihnen sehr, Dr. Bernard. Was ich sagen
möchte, ist dies: wir haben jetzt Bedingungen, die ausreichend
sind, die Wirkungen zu verursachen, die ich in meinen Untersuchungen
beschrieben habe. Nicht bloß vier oder fünf Milliarden
individueller Denker, Dr. Bernard, sondern Billionen… vielleicht
Milliarden von Billionen. Die meisten in Nordamerika. Winzig, sehr
dicht, alle Aspekte ihrer Umwelt in ihre Aufmerksamkeit einbeziehend,
vom sehr sehr Kleinen bis zum sehr Großen. Sie beobachten alles
in ihrer Umgebung und theoretisieren über die Dinge, die sie
nicht beobachten. Beobachter und Theoretiker können die Form von
Ereignissen, von Realität in durchaus signifikanter Weise
bestimmen. Es gibt nichts als Information, Dr. Bernard. Alle
Partikel, alle Energie, selbst Raum und Zeit sind letzten Endes
nichts als Information. Die Natur, die Klangfarbe des Universums kann
verändert werden, Dr. Bernard. Hier und jetzt. Von den
Noozyten.«
»Ja«, sagte Bernard. »Das wird sie
interessieren.«
»Vor zwei Tagen«, fuhr Gogarty mit zunehmender
Lebhaftigkeit fort, »führte die Sowjetunion anscheinend
einen großangelegten Atomschlag gegen Nordamerika. Anders als
im Fall des Angriffs auf den Panamakanal detonierte nicht ein
einziger der Gefechtsköpfe.«
Bernard blickte zu Paulsen-Fuchs, zuerst unwillig, dann erheitert.
Man hatte ihm nichts davon gesagt.
»Die Sowjetunion ist im Bau nuklearer Gefechtsköpfe
nicht so schlecht, Dr. Bernard. Noch ist sie ohne Erfahrung darin. Es
hätte eine atomare Vernichtung größten Stils geben
müssen. Sie trat nicht ein. Nun, ich habe nach Beobachtungen und
Informationen mehrere eindrucksvolle Diagramme zusammengestellt. Eine
sehr wichtige Quelle war ein Fernaufklärer, der Wissenschaftler
und Journalisten über Teile Nordamerikas flog und durch die
Satellitenverbindung eine Liveübertragung für die
Europäischen Rundfunkanstalten ermöglichte. Die Maschine
befand sich mitten über dem Kontinent, als der Atomschlag
versucht wurde. Allem Anschein nach stürzte sie ab, aber nicht
wegen des Angriffs. Es gibt keine Gewißheit über die
Ursachen des Absturzes, doch kann man Schlüsse aus der Art und
Weise ziehen, wie Kommunikation und Telemetrie unterbrochen
wurden… Der Zeitpunkt des Geschehens paßt genau in meine
Theorie. Nicht nur das, sondern auch in anderen Weltteilen wurden
recht eigentümliche Auswirkungen festgestellt. Funkstille,
Stromausfall, meteorologische Phänomene. Bis hinaus in eine
geosynchrone Umlaufbahn, wo zwei Satelliten, die zwölftausend
Kilometer voneinander entfernt waren, Vorübergehend
Funktionsstörungen zeigten. Ich gab alle bekanntgewordenen
Auswirkungen und Koordinaten der Vorfälle unserem Computer ein,
der dieses Profil des Vierraumfeldes lieferte.« Er zog eine
Vergrößerung von einer Computergraphik aus seiner
Aktentasche. Bernard kniff die Augen zusammen, um sie besser
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