Blutnacht in Manhattan
du wirst nicht weit kommen. Ich gebe dir einen guten Rat. Verschwinde lieber. Das ist hier mein Spiel. Ich werde die Blutnächte in Manhattan so lange durchziehen, wie es nötig ist.«
»Wen willst du treffen?«
»Es ist meine Rache.«
»An den Frauen?«
»Ja. Und an allen, die mit ihnen zu tun hatten. Ich hin wieder da, Sinclair, denk daran, und ich freue mich schon auf unsere weiteren Treffen. Irgendwann werde ich auch deine Seele noch bekommen. Darauf kannst du dich verlassen.«
Diesmal kicherte er nicht. Dafür schallte mir aus dem Spiegel ein böses Lachen entgegen. Der Spiegel selbst brach nicht, obwohl er leicht vibrierte.
Ich überlegte, ob ich mein Kreuz hervorholen sollte, um die Gestalt zu vertreiben. Es war nicht mehr nötig, denn die Fratze zog sich von allein zurück.
Plötzlich umgab mich wieder die normale Stille. Wegen der absolut dicht schließenden Fenster drang kein Verkehrsgeräusch an meine Ohren, aber um diese Dinge kümmerte ich mich nicht. Für mich stand etwas anderes im Vordergrund, und das hatte nicht unmittelbar mit der Fratze zu tun, sondern mit deren Botschaft.
Es ging um Rache.
So weit, so schlecht, denn ich wusste nicht, wer auf der Racheliste des Teufels noch alles stand. Vier Frauen hatte er bereits erwischt. Bestimmt gab es noch andere, die jetzt um ihr Leben fürchten mussten, und bei mir tauchte zudem eine ganz andere Frage auf. War es möglich, dass sich die Frauen zu ihren Lebzeiten gekannt hatten?
Als unmöglich sah ich es nicht an. Viele Prostituierte kannten sich untereinander. Das wusste ich von London her. Und hier war es sicherlich nicht anders.
Aber wo war die Verbindung? Jedenfalls wusste mein alter Spezi Asmodis jetzt Bescheid, dass er es mit mir zu tun bekam. Das gefiel ihm ebenso wenig wie mir.
Dann fiel mir ein, dass ich versprochen hatte, Suko bei meiner Ankunft in New York anzurufen. Er war etwas skeptisch gewesen, was meinen Flug anging, aber er würde sich bestimmt wundern, wenn er hörte, was mir hier widerfahren war.
Egal, welche Zeit es war. Er wartete auf meinen Anruf, und ich erwischte ihn zu Hause.
»Du bist gelandet.«
»Ja, und schon im Hotel.«
»Hat sich die Reise denn gelohnt?«
»Und ob. Ich traf soeben einen alten Bekannten, der mir klar gemacht hat, dass es hier in New York zur Sache gehen wird.«
»Und wer ist es?«
»Asmodis!«
Ich hörte Suko leicht stöhnen oder jammern. »Auch das noch! An ihn habe ich in der letzten Zeit nicht mehr gedacht. Das kommt davon, wenn man sich nur mit dem Schwarzen Tod beschäftigt. Aber er ist leider auch noch vorhanden.«
»Und hat seine Zeichen gesetzt, wobei er weitermachen wird, um sein Ziel zu erreichen. Wir haben bisher vier tote Prostituierte und einen verbrannten Zuhälter gehabt. Ich denke, dass der Wind den Fall in diese Richtung weht.«
»Dann bleib mal am Ball.«
»Worauf du dich verlassen kannst.«
»Und sollte es Probleme geben, ich komme gern rüber für einen kurzen Trip. Shao wollte immer mal wieder nach New York.«
»Ich kann euch ja zum Weihnachts-Shopping anmelden.«
»Bitte, nur das nicht.«
Das ansonsten ernste Gespräch endete mit einem Lachen, denn das tut immer wieder gut.
Es wurde Zeit, dass ich nach unten fuhr. Meinen Freund Abe Douglas wollte ich nicht ewig warten lassen.
Ich ließ die Codekarten für das Zimmer in der Hemdtasche verschwinden und ging über den leeren Gang zum Lift. Ein hellbrauner Teppichboden machte meine Schritte fast unhörbar, und jetzt wäre mir jedes noch so leise Kichern aufgefallen.
Das trat nicht ein.
Ein helles Läuten erklang, als der Lift in dieser Etage stoppte. Ich stieg ein und berührte die Taste, die dafür sorgte, dass ich in die Lobby gebracht wurde.
Ich befand mich allein im Lift. Über 14 Etagen musste ich nach unten fahren und fragte mich, wie viele Male die Kabine auf dieser Reise wohl stoppen würde, denn ich hatte nicht den ebenfalls vorhandenen Expresslift genommen.
Immerhin hatte man in der Kabine für warme Farbtöne gesorgt. Ein sanftes Braun und ein weiches Rot harmonierten gut miteinander. Der Stoff verbarg die kalten Metallwände.
Elftes Stockwerk. Das zehnte, das neunte, das achte...
So ging es abwärts.
Ich war mit meinen Gedanken woanders, schaute zwar an der Skala entlang, so richtig aber nahm ich die Zahlen der Digitalanzeige nicht wahr.
Bis zum fünften Stock!
Da hielt der Lift.
Zwar stoppte er sanft, aber ich schrak schon leicht zusammen, weil ich auch damit rechnete, dass sich die Tür
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