Blutnacht in Manhattan
Körper hatte sie in einen dünnen Stoff eingehüllt. Dunkel und durchsichtig zugleich.
Ein hauchzartes Gewand, mehr ein Schleier, der etwas verbergen sollte, aber trotzdem nichts verbarg. Die helle Haut schimmerte ebenso durch wie das dunkle Dreieck zwischen ihren Oberschenkeln. Die Beine waren nicht ganz nackt, denn es berührten keine blanken Füße den dunklen Bühnenboden, sondern Schuhe mit hohen Absätzen.
Das schwarze Haar hatte sie in die Höhe gesteckt. Mit den Händen fuhr sie jetzt von zwei Seiten in die Flut hinein, wirbelte die Frisur durcheinander, sodass ihr Haar zu den Seiten hin wegfallen konnte und einige Strähnen auch ihr Gesicht kitzelten.
Die Verführung in Person! Sharon bot sich an, sie lockte, aber keiner der Zuschauer traf Anstalten, sich zu bewegen. Der Zwang zur Ruhe blieb.
Bestimmt war sie darüber informiert, dass sich in ihrer Nähe zwei Menschen aufhielten, die nicht dazugehörten. Nur traf sie keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. Nicht einmal drehte sie den Kopf, um in meine Richtung zu schauen.
Dafür strich sie mit den Händen über ihren Körper hinweg. Zwischen ihnen und der Haut befand sich nur der dünne Stoff. Ich hatte den Eindruck, ihn sogar knistern zu hören. Das entsprach wohl mehr einer Einbildung. Die Schuhe mit den hohen Absätzen waren hellrot. Da passte wirklich alles. Diese Person war für einen Bühnenauftritt wirklich perfekt.
Aber sie war erst der Anfang. Es würde weitergehen. Es hatte Tote gegeben, und ich rechnete damit, dass dies auch hier im dunklen Keller passieren würde.
Sie hatte den perfekten Job. Nach außen hin gut getarnt, sorgte sie mit ihren Beziehungen dafür, dass der Teufel stets genug Nachschub bekam. Ich musste nur an die vier toten Frauen denken. Sie waren bereits in seinen Kreislauf geraten und hatten wahrscheinlich für ihn sterben müssen.
Ganz sicher war ich mir meiner Sache nicht. Aber ich würde es bald sein, das nahm ich mir vor.
Urplötzlich lachte Sharon auf. Es war das erste Geräusch, das die Stille zerstörte. Das scharfe Lachen ließ mich zusammenzucken. Für mich war es so etwas wie eine Ouvertüre, die das große Drama einleiten sollte.
Mit einer schnellen Bewegung streckte Sharon beide Arme nach vorn, als wäre sie eine der Tänzerinnen, die einen Rocksänger bei seinem Auftritt begleiteten.
Nur galt diese Bewegung keinem Sänger, sondern einer anderen Person, die zugleich angesprochen wurde.
»Bist du da?«
»Ja...!«
»Dann komm!«
Dieses kurze Spiel zwischen Frage und Antwort hatte ich gehört. Besonders die Antwort hatte mir einen Stich gegeben. Es war eine Frau gewesen. Und davon gab es außer Sharon nur noch eine – Judith...
***
Abe Douglas war nicht klar, ob er sich darüber freuen sollte, dass sein Freund John verschwunden war. Man konnte dies von zwei Seiten aus betrachten. Aber es war wichtig, dass Judith in seiner Nähe blieb. Er rechnete damit, dass sie so etwas wie der Joker in diesem höllischen Spiel war. Noch hatte es nicht begonnen, aber es würde gleich anfangen. Das spürte Abe. Neben ihm verhielt sich Judith nicht mehr so still. Sie war unruhiger geworden, sie bewegte ihre Füße, ohne allerdings ihren Platz zu verlassen.
»Sie bleiben bei mir!«
Judith gab keine Antwort. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet, obwohl sich auf der Bühne nichts abspielte. Es gab dort nur die gähnende Leere.
Abe fasste nach ihrer rechten Hand. Sie ließ es geschehen. Der G-Man spürte, dass die Haut kalt, aber mit einem dünnen Schweißfilm überzogen war.
Auch sie stand unter Druck. Für ihn war es kein Wunder, denn er spürte ebenfalls seinen starken Herzschlag, dessen Echos sich in seinem Kopf verloren.
Die Nervosität steigerte sich. Judith bewegte ihren Kopf. Mal schaute sie nach links, dann wieder nach rechts, aber auch dort gab es nichts zu sehen. Die graue Dunkelheit blieb dort wie glatt gebügelte Watte, und das wenige Licht sorgte kaum für Helligkeit.
Bis sich auf der Bühne etwas tat!
Es hatte keine Vorwarnung gegeben. Künstliche Flammen brachten eine unruhige Helligkeit auf die Bühne, und es erschien die Frau, auf die auch der G-Man gewartet hatte.
Sharon Lane hatte ihren großen Auftritt. Sie war nicht mehr so gekleidet wie in ihrem Büro. Jetzt hatte sie um ihren nackten Körper einen dünnen Schleier gehüllt, der mehr entblößte als verbarg. Der dünne Stoff bewegte sich leicht. Er presste sich immer dann gegen die Haut, wenn Sharon nach vorn ging. Aber sie verließ die
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