Blutnacht
Einbruch der Dunkelheit. Ich hole dich ab. Petra wird uns dort treffen.«
»Stahl nicht?«
»Petra hat ihn an den Computer gesetzt. Ich bin in zwei Stunden bei dir. Lass schon mal die alte Durchblick-Maschine anlaufen.«
Wenn es darum geht, mit Menschen zu verhandeln, kann man nicht viel proben. Aber wir drei versuchten es, als wir in Petras Accord in einer ruhigen Straße in Encino saßen. Der Wagen stand zwei Querstraßen westlich von Franklin und Teresa Drummonds Haus im Schatten eines struppigen Pfefferbaums. Das Mondlicht war schwach und reichte gerade, um Zweige in habgierige Arme zu verwandeln. Von Zeit zu Zeit fuhr ein Wagen vorbei, aber niemand nahm von uns Notiz.
Petra informierte uns über die Drummonds. »Klingt irgendwas davon nach einer Brutstätte für einen Psychokiller, Alex?«
»Bis jetzt«, sagte ich, »klingt es nach vorstädtischem Leben der oberen Mittelschicht.«
Sie nickte reumütig. »Ich denke, wir konzentrieren uns auf Frank Drummond – da er der Dominante ist und so weiter. Wenn wir ihn ignorieren, gehen wir das Risiko ein, ihn von Anfang an gegen uns aufzubringen.«
»Er wird schon aufgebracht an die Tür kommen«, sagte ich. »Sie können zunächst durchaus höflich sein, sollten aber vielleicht nach einer gewissen Zeit energischer werden.«
»Mit Drohungen arbeiten?«, fragte Milo.
»Wenn sie wissen, wo Kevin hingegangen ist, müssen sie mit einer Klage wegen Beihilfe rechnen«, erwiderte ich. »Drummond ist Anwalt. Er versucht vielleicht, es lautstark abzustreiten, aber ich würde auf Anzeichen von Besorgnis achten. Genauso wie auf zu viel Feindseligkeit – eine Überreaktion kann auch der Tarnung dienen.«
»Was schlägst du also vor, wir bitten sie, ihren Sohn preiszugeben, um ihren eigenen Arsch zu retten?«
»Wie auch immer sie zu Kevin stehen, sie sind vielleicht nicht bereit, sich strafbar zu machen. Von einem gewissen Punkt an würde ich auch den finanziellen Standpunkt berücksichtigen. Sie haben Kevin bei seinem Magazin unter die Arme gegriffen, also tragen sie indirekt die Verantwortung für alles, was dadurch losgetreten wurde. Zumindest ist es Drummonds Kanzlei nicht förderlich. In dieser Hinsicht bietet sich auch die Mutter als Angriffsfläche an. Macht euch ihre Schuldgefühle zunutze, indem ihr Ernas Fotos vorzeigt.«
»Die möglicherweise Cousine Erna ist«, sagte Milo. An Petra gewandt: »Stahl hat da immer noch keine Verbindung gefunden?«
»Nein«, antwortete sie. »Wie ich Ihnen sagte, er hat Ernas Dad ausfindig gemacht, aber der liegt im Koma, ist dabei, sich zu verabschieden. Während er in diesem Pflegeheim war, ist ihm zufällig eine Verwandte über den Weg gelaufen. Donald Murphys Schwester, ein echter Drachen namens Alma Trueblood. Sie sagt, Erna wäre ihr ganzes Leben merkwürdig gewesen, hätte es abgelehnt, sich von der Familie helfen zu lassen.« Sie wandte sich an mich: »Also achten wir auf ihre Reaktionen. Da wir zu dritt und sie zu zweit sind, sollte das machbar sein. Sagen wir ihnen, dass Alex Psychologe ist?«
»Wozu?«, fragte Milo.
»Um ihnen klarzumachen, dass der Fall inzwischen ein anderes Niveau erreicht hat, Kevin als Psychofall betrachtet wird.«
Sie warteten beide auf meine Antwort.
»Nein«, sagte ich, »ich bleibe lieber im Hintergrund. Falls ihr nichts dagegen habt, mir etwas Spielraum zu geben, schalte ich mich ein, wenn meiner Ansicht nach die Zeit gekommen ist.«
»Nichts dagegen«, erwiderte Petra.
Milo nickte.
Sie sagte: »Seid ihr bereit, Jungs?«
Ein stämmiger Mann in einem zu knappen roten Lacoste-Hemd, ausgebeulter Khakihose, schwarzen Socken und Pantoffeln kam zur Tür. Fleischiges Gesicht, breite Nase, lockiges, grau werdendes Haar, wache, zornige Augen. Ein äußerst angespannter Mann, bereit, loszuschlagen.
Petra sagte: »Abend, Mr. Drummond.«
Ein Zucken lief durch die untere Hälfte seines Gesichts. Er sah Milo und mich an.
»In Bataillonsstärke? Was ist los?«
Petra sagte: »Wir haben Kevins Wagen gefunden.«
Franklin Drummond blinzelte. Ich hielt mich im Hintergrund, versuchte, mich hinter Milos breitem Rücken zu verstecken, studierte Drummond aber aufmerksam. Er musste es gespürt haben, weil er mich mit seinem Blick fixierte, und bewegte die Lippen.
»Wo?«, fragte er.
»Er ist abgeschleppt worden, Sir«, antwortete Petra. »Im Parkverbot unweit vom LAX abgestellt. Im Augenblick befragen wir verschiedene Fluggesellschaften, um herauszufinden, wohin Kevin geflogen ist. Falls Sie wissen
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