Blutnacht
–«
»LAX«, sagte Drummond. Am Haaransatz bildeten sich kleine Schweißtropfen. Die Lider der braunen Augen zuckten mehrfach rasch hintereinander. »Gottverdammt.«
»Dürfen wir bitte reinkommen?«
Drummond rollte seine fleischigen Schultern und richtete sich zu voller Größe auf. Nahm wieder die Haltung eines Anwalts ein. »Ich habe keine Ahnung, wo Kevin ist.«
Petra sagte: »Das muss Sie beunruhigen, Sir.«
Drummond antwortete nicht. Sie fuhr fort: »Zu diesem Zeitpunkt betrachten wir Kevins Verschwinden als strafbaren Tatbestand.«
»Sie machen sich lächerlich.«
Petra rückte näher an Drummond heran. Milo und ich folgten. Erhöhten den Druck. »Falls Sie wissen, wo Ihr Sohn jetzt ist, liegt es in seinem und in Ihrem Interesse, dass Sie es uns sagen.«
Drummonds Kiefermuskeln traten hervor.
Eine Stimme hinter ihm rief: »Frank?« Rasche Schritte.
»Es ist schon gut«, sagte er. Aber die Schritte hörten nicht auf, und Terry Drummonds Gesicht erschien über der rechten Schulter ihres Mannes. Ihr halbes Gesicht. Sie war etwa drei Zentimeter größer als er. Erhöht durch Sandaletten mit zehn Zentimeter hohen Absätzen.
Ich warf rasch einen zweiten Blick auf die Absätze. In ihrem eigenen Heim unterzog sie ihre Füße dieser Qual.
»Geh wieder rein«, befahl Frank Drummond.
»Was ist?«, verlangte sie zu wissen.
Petra erzählte ihr von dem Honda.
»Oh, nein!«
Frank sagte: »Terry.«
»Frank, bitte –«
»Ma’am, Kevin könnte in Gefahr sein«, erklärte Petra.
Frank hielt ihr einen Finger vors Gesicht. »Jetzt hören Sie mal –« »Frank!« Terry Drummond langte um ihn herum, ergriff seine Hand, drückte sie nach unten.
»Das ist unverzeihlich«, sagte Frank Drummond.
»Dürfen wir reinkommen?«, fragte Petra. »Zu diesem Zeitpunkt ist das Revier die einzige Alternative.«
Drummond presste die Fäuste zusammen und verzog das Gesicht. »Was meinen Sie mit ›diesem Zeitpunkt?«
»Wir haben in Kevins Wagen Beweise für verbrecherischen Vorsatz gefunden.«
»Was für Beweise?«
»Reden wir drinnen darüber«, sagte Petra.
Drummond antwortete nicht.
Seine Frau sagte: »Das reicht, Frank. Lass sie rein.«
Drummonds Nasenflügel blähten sich. »Machen Sie’s kurz«, sagte er.
Aber all sein Kampfgeist hatte ihn verlassen.
Das Wohnzimmer verriet finanziellen Erfolg, der sich eher eigenem Einsatz als einer Erbschaft verdankte. Die Kassettendecke war ein ganzes Stück zu hoch für die bescheidenen Raumverhältnisse darunter. Eine Appretur mit Marmoreffekt versah die Wände mit ihrem Glanz. Vorgefertigte Stuckelemente waren aufgetragen worden wie Schlagsahne. Die Möbel waren schwer, Fabrikware, hell, gebleicht von zu vielen Kristallleuchtern. Maschinell gefertigte Kopien von Persern waren willkürlich auf einer Unterlage von dickem, beigefarbenem Teppichboden arrangiert.
Drei Gemälde: ein Harlekin, eine Ballerina, eine zu stark leuchtende Wiedergabe eines imaginären Arroyo unter einem lachsrosa Himmel. In dem Landschaftsbild sollten Silberflecken Reflexionen suggerieren. Grauenhaft. Kevin Drummond war nicht mit gehobener Kunst aufgewachsen.
Und er war geflohen. Das schäbige Hollywood-Apartment war weniger als eine Stunde entfernt, aber im Grunde sprachen wir von verschiedenen Welten.
Sein Vater ließ sich schwer in ein tief gepolstertes Sofa fallen. Terry ließ sich dreißig Zentimeter entfernt nieder, schlug lange Tänzerinnenbeine in einer hautengen Caprihose übereinander, warf ihre flammend roten Haare zurück und ließ keine Befangenheit erkennen, als ihre Brüste ungehindert auf und ab tanzten.
Hohe Absätze, kein BH. Der Geruch von Spaghetti aus der Dose zog aus der Küche herüber.
Ich dachte noch ein wenig über Kevins Kindheit nach.
Frank Drummond atmete aus und setzte sich aufrecht hin. Terry Drummonds Gesicht war stark geschminkt, aber die kosmetischen Maßnahmen konnten ihren Kummer nicht verdecken. Und doch blieb ihre Körperhaltung entspannt – Kleopatra auf einer Nilbarkasse.
Eine Handbreit zwischen ihnen. Keine Berührung.
Petra sagte: »Ich weiß, dass dies schwer für Sie ist –«
»Und Sie machen es noch erheblich schwerer«, blaffte Frank Drummond.
Seine Frau neigte ihm ihr Gesicht zu, blieb aber still.
»Was sollten wir Ihrer Ansicht nach tun, Sir?«, fragte Petra.
Keine Antwort.
Milo sagte: »Es sieht so aus, als wäre Kevin irgendwohin geflogen. Irgendwelche Vermutungen, wohin?«
»Sie sind die Detectives«, sagte Frank Drummond.
Milo
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