Blutnacht
uns lange. Ich berührte ihre Brust. Sie gab einen leisen, traurigen Laut von sich, griff nach mir. Zwang sich aufzuhören.
»Es tut mir so Leid«, sagte sie, als sie zur Tür lief.
Ich stand auf, blieb aber, wo ich war. »Es gibt nichts, was dir Leid tun sollte.«
»Es gibt eine Menge, was mir Leid tun sollte«, entgegnete sie.
Erneuter Ehebruch.
»Wie geht’s Spike?« Im Zweifelsfall nach dem Hund fragen.
»Prima. Du kannst ihn gern jederzeit besuchen.«
»Danke.«
Es klingelte an der Tür, und ihr Kopf fuhr herum.
»Ich hab Essen bestellt. Der Hunan-Laden im Village.«
Sie richtete ihre Frisur. »Gutes Lokal.«
»Scharf, aber nicht zu sehr.«
Sie lächelte ein schreckliches Lächeln und drehte am Türknauf. Ein hispanischer Junge, der wie zwölf aussah, hielt eine fettige Tüte in der Hand, und ich lief zur Tür, nahm das Essen, griff nach dem Geld in meiner Tasche, kriegte zu viele Scheine zu fassen und hielt sie ihm vor die Nase.
»Vielen Dank, Mann«, sagte er und hastete die Treppe hinunter.
Ich fragte: »Hungrig?«
»Ganz im Gegenteil«, sagte Robin. Als sie sich zum Gehen wandte, gingen mir Millionen Dinge durch den Kopf, die ich hätte sagen können.
Was herauskam, war: »Petra ist wirklich gut. Sie wird an der Sache dranbleiben.«
»Das weiß ich. Danke fürs Zuhören. Bye, Alex.«
»Jederzeit«, sagte ich. Aber das stimmte nicht mehr.
7
Petra schob zwei Wochen lang Doppelschicht, wobei sie die meiste Zeit nicht als Überstunden geltend machte, und trieb sich fast in den Wahnsinn, indem sie versuchte, so viele Mitglieder von Baby Boys letztem Publikum wie nur möglich aufzuspüren. Großer Erfolg war ihr dabei nicht beschieden. Sie probierte es mit dem Inhaber des Snake Pit – einem Zahnarzt aus Long Beach befragte die Wächter, die Rausschmeißer, die Kellnerinnen, Lees Bandmitglieder – alle für diesen Anlass engagiert – und den kleinen, schlecht beschuhten Jackie True ein weiteres Mal. Alles fruchtlos.
Sie versuchte sogar, Kontakt zu den Mitgliedern von Tic 439 herzustellen, der Band, die bei Baby Boy Hoffnungen auf ein Comeback genährt hatte. Der Manager der Band, ein salbungsvoll klingender Kiffer namens Beelzebub Lawrence, ließ sich schließlich dazu herab – nachdem Petra ihn ein Dutzend Mal angerufen hatte –, mit ihr ein Telefongespräch zu führen. Musik dröhnte im Hintergrund, und Lawrence sprach leise. Das Zwei-Minuten-Gespräch strapazierte Petras Gehör und ihre Geduld.
Yeah, Baby Boy war brillant gewesen.
Nein, er hatte keine Ahnung, wer ihm etwas hätte antun wollen.
Yeah, die Jungs waren echt drauf abgefahren, mit ihm zu spielen.
Nein, sie hatten seit der Aufnahme keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt.
Petra sagte: »Er hat wirklich etwas zu ihrem Sound hinzugefügt, nicht wahr?« Sie hatte die CD gekauft, hielt sie für eine abscheuliche Mischung aus weinerlichen Versen und schleppendem Rhythmus. Nur Baby Boys Gitarre, angenehm und kräftig, verlieh dem Mist in zwei Stücken eine Ahnung von Musikalität.
Beelzebub Lawrence sagte: »Yeah, er war cool.«
Der Gerichtsmediziner war mit Baby Boys Leiche fertig, aber niemand hatte sich gemeldet, um sie für sich zu reklamieren. Obwohl es nicht ihre Aufgabe war, betrieb Petra ein wenig genealogische Forschung, die sie zu Edgar Ray Lees nächster lebenden Verwandten führte. Eine Großtante namens Grenadina Bourgeouis, die sich uralt und schwach anhörte.
Senil auch, wie sich rasch herausstellte. Das Telefongespräch versetzte der alten Frau einen Schock, und Petra schwirrte der Kopf. Sie rief Jackie True an und brachte ihn auf den neuesten Stand.
Er sagte: »Baby wollte verbrannt werden.«
»Er hat über das Sterben geredet?«
»Tut das nicht jeder?«, erwiderte True. »Ich kümmere mich darum.«
Es war fast vier Uhr früh am Montag, und sie war geistig erschöpft, aber zu nervös, um schlafen zu gehen. Sie holte tief Luft, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und nahm einen Schluck kalten Kaffee aus dem Becher, der seit Stunden vor ihr stand. Coffein – das ist genau das Richtige für die Nerven, du kluges Mädchen.
Das Großraumbüro war ruhig, nur sie und ein Detective II namens Balsam, der an einem alten Computer zugange war. Balsam war Petras Jahrgang, hatte jedoch die Haltung eines alten Mannes. Und den Musikgeschmack eines alten Mannes. Er hatte einen Ghettoblaster mitgebracht, aber er dröhnte nicht. War auf einen Sender mit Unterhaltungsmusik eingestellt. Der Song einer Rockband aus den
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