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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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stieg die Treppe wieder hoch, wobei ihre Phantasie auf Hochtouren arbeitete. Sie stellte sich Eric schlank und muskulös vor, ein Typ wie Clint Eastwood, vielleicht mit einem dieser militärischen Kurzhaarschnitte. Ein Typ, der viel an der frischen Luft war, der surfte und Rad fuhr, mit dem Fallschirm sprang und Bungeejumping machte, all diese adrenalinzehrenden Dinge.
    Ein Partner mit viel Energie war ihr ganz recht. Er konnte das Fahren übernehmen.
    Zwanzig Minuten später war er da. Mit dem Haarschnitt hatte sie Recht gehabt, aber sonst mit nichts.
    Eric Stahl war um die dreißig, höchstens eins achtundsiebzig groß, schrecklich dünn, mit gebeugten Schultern und schlaksigen Gliedmaßen. Der Bürstenschnitt war mittelbraun, stachlige Haare über dem schmalen, grüblerischen Gesicht eines hungernden Dichters. Herr im Himmel, war dieser weiße Junge weiß! Ein Teint, wie man ihn nach zu vielen Stunden in der Bibliothek bekommt. Bis auf zwei nicht dazu passende rosafarbene Münzen auf den Wangen – Fieberflecken.
    Eingefallene Wangen. Spitzes Kinn, lippenloser Mund, die am tiefsten liegenden Augen, die Petra je gesehen hatte. Als ob jemand mit den Fingern hineingestochen und sie ihm in den Schädel zurückgeschoben hätte. Das gleiche matte Braun wie die Haare. Unveränderlich.
    Er sagte: »Detective Connor? Eric Stahl«, ohne die Hand auszustrecken oder sich zu bewegen. Er stand nur neben ihrem Schreibtisch, trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine graue Krawatte.
    »Hi, nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte Petra.
    Und zeigte auf einen Stuhl neben ihrem Schreibtisch.
    Stahl erwog das Angebot und akzeptierte es schließlich.
    Sein schwarzer Anzug schien ihr eigenes Ensemble zu ergänzen: einen ebenholzfarbenen Hosenanzug von Vestimenta, den sie in der vorletzten Saison im Schlussverkauf bei Barney’s gekauft hatte. Trübselig: Sie beide sahen aus wie das Empfangskomitee am Forest Lawn Cemetery.
    Stahl verzog keine Miene. Viel Energie, von wegen. Dieses Gesicht … wenn er die Haare lang wachsen ließ und schwarze Lederhosen und einen Haufen anderer Punk-Paraphernalien anzog, würde er genau zu den verlebten Strichjungen passen, die man über den Boulevard taumeln sah.
    Keith Richards jüngerer Bruder. Keith selbst, in seiner schlimmsten Junkie-Zeit.
    Sie fragte: »Was kann ich für Sie tun, Eric?«
    »Mich einweisen.«
    »Worin?«
    »In alles, was Sie für wichtig halten.«
    Aus der Nähe betrachtet, war Stahls Haut kalkig. Die Stimme des Mannes war tonlos. Nur eine pulsierende Ader an der linken Schläfe deutete daraufhin, dass seine Körperfunktionen in Gang waren.
    »Sie können den Schreibtisch dort benutzen«, sagte sie. »Und das da ist Ihr Spind.«
    Stahl rührte sich nicht. Er hatte nichts mitgebracht.
    »Was halten Sie davon«, fragte Petra, »wenn wir ein bisschen herumfahren und ich Ihnen die Gegend zeige?«
    Stahl wartete, bis sie aufgestanden war, bevor er sich erhob. Als sie die Treppe hinuntergingen, hielt er sich hinter ihr. Unheimlich.
    Schoelkopf hatte ihr einen unheimlichen Roboter als Partner zugeteilt.
    Sie glitten über den dunklen Boulevard. Hollywood war um vier Uhr morgens nur spärlich von Nachtschwärmern und Kreaturen, die im Schatten lungerten, bevölkert. Petra zeigte auf Drogenbars, illegale Clubs, Stammlokale von stadtbekannten Verbrechern, Tacobuden, wo sich Transvestiten und Nutten versammelten. Falls Stahl einen Eindruck gewann, ließ er es sich nicht anmerken.
    »Anders als bei der Army«, sagte sie.
    Keine Antwort.
    »Wie lange waren Sie beim Militär?«
    »Sieben Jahre.«
    »Wo waren Sie stationiert?«
    Stahl legte einen Daumen ans Kinn und machte ein nachdenkliches Gesicht.
    Das war keine Fangfrage.
    »Überall«, antwortete er schließlich.
    »Überall in den Staaten oder überall im Ausland?«
    »Beides.«
    »Wie«, sagte Petra lächelnd, »waren Sie ein Geheimagent? Wenn Sie es mir sagen, müssen Sie mich dann töten?«
    Sie warf im Weiterfahren einen Blick auf Stahl. Erwartete wenigstens einen minimalen Stimmungsaufschwung.
    Nichts.
    Stahl sagte: »Übersee war der Nahe Osten.«
    »Wo im Nahen Osten?«
    »Saudi-Arabien, Bahrain, Dschibuti, Dubai.«
    »Die Emirate«, sagte Petra.
    Ein Nicken.
    »War’s schön?«, fragte Petra.
    Fünf Sekunden Verzögerung. »Nicht besonders. Sie hassen Amerikaner. Man konnte keine Bibel ins Land bringen oder irgendwas sonst, das belegte, dass man ein Christ war.«
    Aha. Ein Wiedergeborener.
    »Sind Sie

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