Blutnächte - 2
anderes?
Ihr Bewusstsein kehrte zurück. Es meldete sich mit einem heftigen Dröhnen in ihrem Kopf. Wie ein unliebsamer Kater fühlte es sich an. Dabei konnte sie sich nicht daran erinnern, mehr als ein Glas Wein getrunken zu haben. Und selbst bei diesem war sie sich nicht sicher, ob sie es gänzlich geleert hatte.
„Ganz ruhig“, wiederholte Pierre. Seine Lippen waren nun nah an ihrem Ohr. Sie spürte seine Zunge, die für einen winzigen Augenblick ihre Schläfe streifte.
„Folge mir. Ich bringe dich an einen Ort, den du niemals vergessen wirst.“ Und den du niemals verlassen wirst, fügte er in Gedanken hinzu.
Isabellas Argwohn wuchs. Er drohte in einer Panik zu gipfeln. Sie wusste, dass sie an diesem Ort nicht länger bleiben durfte. Pierres Zähne mussten sich nicht erst in ihrem Hals verbeißen, um sie die Wahrheit erkennen zu lassen. Er war nicht nur ein Vampir, sondern obendrein ein sehr gefährlicher seiner Art.
„Du bist einer!“ Sie entwand sich ihm erneut. Blind strauchelte sie in der Düsternis, bis sie gegen eine Steinwand stieß und sich daran die Handflächen aufscheuerte.
„Du bist ein Vampir! Ich wusste, dass es euch gibt!“
Pierre verlor allmählich die Geduld. Dieses starrköpfige Weib wehrte sich plötzlich mehr, als ihm lieb war. Hinzu kamen die kleinen Blutstropfen, die durch die gerissene Haut ihrer Hände hervortraten. Es brachte ihn beinahe zur Raserei. Er packte sie grob – drehte ihr die Arme auf den Rücken. Ihren Schrei erstickte er, indem er sie gleichzeitig vorwärts stieß. Ächzend stolperte Isabella durch den Gang.
~~~
Isabella hatte sich Pierre, den Barkeeper, als Begleiter ausgesucht. Kaum zu glauben! Alice wusste nicht, ob sie ihre Kommilitonin für äußerst mutig oder äußerst dumm halten sollte. Aber schließlich konnte Isabella nicht ahnen, auf welche Art von Weiberheld sie sich da einließ. Im Club war er bekannt für seine ausschweifenden Eskapaden. Er würde nicht lange fackeln, ehe er ihr die Kleider vom Leib riss und sich an ihrem Körper und Blut bediente.
Zu ihrer Überraschung stellte Alice jedoch fest, dass Pierre nicht die Richtung zu seinen Räumen einschlug. Er wollte scheinbar auch nicht in eines der anderen Liebeszimmer des Clubs. Stattdessen führte er Isabella in einen abgelegenen Flur. Mitten darin blieb er stehen und griff in die Wand hinein, als gäbe es dort keinerlei Widerstand. Er öffnete eine Tür, die zuvor nicht vorhanden war. Dann schob er seine taumelnde Begleiterin ins Ungewisse. Sie wirkte wie betäubt. Alice musste bei diesem Anblick unwillkürlich frösteln.
Als die beiden verschwunden waren, wagte sie sich weiter vor. Sie lief auf die Wand zu, suchte nach der Tür, dem Griff oder wenigstens einem Hinweis darauf. Aber da war nichts.
Alice sank auf die Knie. Was hatte Pierre vor? Wenn er Isabella etwas Schreckliches antun würde, wäre das ganz allein ihre Schuld. Sie hatte der Kommilitonin den Weg in den Club Noir gewiesen.
Mit dieser Schuld konnte Alice nicht leben!
Im Kerker
Pascal stand still hinter dem großen Schreibtisch und betrachtete die glatte, saubere Fläche für einen langen Moment. Das dunkle Holz glänzte. Beinahe schien es, als würde das spärliche Licht Funken darauf zeichnen. Die Versuchung war gewaltig. Pascal konnte nicht umhin, die Hand auszustrecken und über den Tisch zu streichen.
Im selben Augenblick klopfte es energisch an der Tür. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Eindringling den Raum betrat.
Eine junge Frau. Ihre blonden Haare fielen ihr lang und wild über die Schultern. In ihrem Blick ruhte ein stummes Entsetzen. Jemand oder etwas musste sie erschreckt haben.
Pascal musterte sie, während seine Fingerkuppen weiter über das ebenmäßige Holz glitten. Er hatte sich in dieser Nacht noch nicht genährt. Zu sehr beschäftigte ihn die Aufgabe, den Club unter Kontrolle zu halten. Es war für ihn somit nicht abwegig, sich zu fragen, wie das Blut dieser jungen Schönheit wohl schmecken würde. Allein ihre Anwesenheit brachte ihn in Versuchung. Seine Zunge stieß gegen die scharfen Spitzen seiner Zähne. Sie lechzten nach dem Lebenssaft des Mädchens. Es war so jung und unschuldig und sah ihn mit großen, leuchtenden Augen an. Doch sie stand nicht wegen ihm in der offenen Tür. Das hatte er bereits im Moment ihres Anklopfens bemerkt.
„Wo ist Andrew?“, fragte sie unvermittelt.
„Nicht hier.“ Pascal ließ von der Holzoberfläche ab. Er trat vor den Tisch und lehnte sich mit dem
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