Blutnächte - 2
Schmunzeln.
„Kannst du es nicht auch fühlen?“, fragte er.
Chantal deutete ihr Kopfschütteln lediglich an. Sie war nicht fähig, eine Antwort zu geben.
„Der Dolch.“
Er liebkoste die Klinge mit der Zunge. Chantal starrte ihn einfach nur an. Sie fürchtete sich vor ihm – vor dem, was aus ihm wurde – und doch übte er eine solch ungeheure Anziehungskraft auf sie aus.
Er lechzt nach Blut. Er kann es gar nicht mehr erwarten. Genau wie ich, dachte sie.
Kindliche Sehnsucht und erschreckender Wahn wechselten sich in Pierres Mimik ab. Gebannt beobachtete Chantal, wie die Schatten in seinen Gesichtszügen tanzten. Ein Schwarz, wie es tiefer nicht sein konnte, hatte sich in seine Augen geschlichen. Es vermittelte ihr ein ungeahntes Lustempfinden, jenseits aller Befürchtungen. Sie rückte ihm entgegen, fasste nach seiner Hand, die den Dolch umklammerte. Pierres Zunge hinterließ eine Blutspur auf der Klinge. Anstatt sich jedoch weiterhin zu fürchten, leckte Chantal selbst über die Waffe und vermischte sein Blut mit ihrem eigenen.
Er packte sie um die Taille und setzte sie auf seinen Schoß.
„Mein kleines, braves Mädchen“, neckte er sie. „Natürlich fühlst du es auch. Vor mir kannst du deine dunkle Seele nicht verbergen. Warum gehst du also nicht los und suchst mir ein neues Mädchen? Eine, die von unseresgleichen noch nicht verdorben ist.“
„Frisches Blut.“ Chantal sprach leise. Sie wusste genau, wonach es ihm verlangte. Sie teilte seine Empfindungen, als wäre sie eins mit ihm. Doch er unterbrach die Verbindung, drängte sie zurück – neben sich in die Sitzkissen.
„Geh und tu, worum ich dich bitte. Jetzt gleich!“, befahl er.
„Nein.“
Er sah sie überrascht an. Wie konnte sie es wagen, sich seinen Anweisungen zu widersetzen? Wusste sie denn gar nichts von seiner neuen Macht? Alles, was er in ihren Augen lesen konnte, war ein sehnsüchtiges Aufbegehren und eine Naivität, die ihm nicht unrecht war. Sicher steckte in Chantal ein hinterhältiges Biest. Doch sie handelte nicht besonders klug. Sie folgte lediglich ihren Gelüsten und machte sich somit empfänglich für seine Manipulationen. Er entschied, dass er dieses Spielzeug noch für eine Weile behalten würde.
„Du hattest mir ein Mädchen versprochen.“ Chantal setzte sich nun auf und gab ihre Forderung ohne Scheu preis. Wie dreist sie doch war! So dreist, dass Pierre sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
„Das Mädchen mit den schönen, schwarzen Haaren. Erinnerst du dich nicht mehr? Du wolltest sie mir zurückbringen.“
„Pascal wollte das erledigen.“
„Aber er braucht so unheimlich lange“, klagte sie. „Wo ist er? Und warum hat er sie nicht längst zurückgebracht?“
„Ich weiß es nicht.“ Pierre gestand sich ein, dass es ihm gleichgültig war. Er interessierte sich nicht dafür, wie und mit wem Pascal sein Dasein verbrachte. Auch dieses Mädchen war ihm gleichgültig. Isabella. Sie übte auf ihn keinerlei besonderen Reiz aus. Er hatte sie längst wieder vergessen. Chantal hingegen schien regelrecht besessen von dem Mädchen. Sie wollte sie unbedingt für sich haben. Das konnte er deutlich spüren. Er strich mit seiner freien Hand über ihr Haar.
„Es wird gewiss nicht mehr lange dauern. Sei nicht so ungeduldig.“
~~~
Wütend warf Isabella das Kissen von sich.
Verdammt! Verdammt! Verdammt!
Sie strampelte mit den Beinen wie ein kleines Mädchen, das seinen Willen nicht bekam. Diese innere Unruhe war unerträglich. Sie drehte sich auf die andere Seite und hielt sich mit beiden Händen die Augen zu. Es musste doch möglich sein, ihre Gedanken in die Richtung zu lenken, die sie selbst bestimmte! Entgegen aller Anstrengungen schaffte sie es allerdings nicht, das Abbild des Vampirs für mehr als fünf Minuten aus ihrem Kopf zu bannen.
Sie malte sich das Schreckensszenario des Sonnenaufganges aus. Die ersten Strahlen durchbrachen die Dunkelheit, fanden den Weg in ihr Schlafzimmer und fielen direkt auf Pascal, der wie tot auf ihrem Bett lag. Er würde verbrennen. Nichts als Asche würde von ihm übrig bleiben. Vielleicht nicht einmal das.
Isabella konnte den Gedanken daran nicht ertragen. Ein Teil von ihr erinnerte sich viel zu stark an die gemeinsame Liebesnacht im Vampir-Club. Dieser Teil verlangte sogar nach mehr. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie zugeben, dass sie es maßlos genossen hatte und sich nichts mehr wünschte, als erneut von ihm verführt zu werden. Aber er war ein
Weitere Kostenlose Bücher