Blutnächte - 2
Leidenschaft hinterlassen. Ein wohliger Schauder rann ihren Rücken hinunter.
Sie war verwirrt. Ihr gesamtes Gefühlsleben hatte sich derart verändert, dass sie allmählich glaubte, es würde sie um den Verstand bringen. Doch sie musste sich davon befreien und ihre Wohnung verlassen.
Als schließlich die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, und die kühle Nachtluft sie zum Frösteln brachte, begann auch das Brummen in ihrem Schädel nachzulassen. Sie genoss ihren Spaziergang in der Dunkelheit. Ihr Ärger und ihre Verwirrung gerieten auf dem Weg zum „Club Noir“ in Vergessenheit. Eigenartigerweise erschien ihr die Nacht mit einem Mal wie eine reine Wohltat für ihre Seele. Sie genoss die Ruhe, die ihr eine verlassene enge Gasse vermittelte. Den sanften Schein des Mondes, der beinahe voll und rund am Himmel prangte, vermochte ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Nie zuvor waren ihr die Schatten aufgefallen, die verschämt nach ihrem Platz in der alles verschlingenden Dunkelheit suchten. Die zaghaften Geräusche. Die vielen Gestalten, die sich auf Zehenspitzen davonschlichen, um die nächtliche Ruhe nicht zu stören.
Isabella atmete tief ein.
Schließlich erreichte sie die verlassene Seitenstraße, in der die Vampire sich ihr Heim errichtet hatten. Der „Club Noir“ wirkte weit weniger anziehend als bei ihrem ersten Besuch. Die geheimnisvolle Atmosphäre um das Gebäude hatte sich in etwas Bedrohliches verwandelt. Isabellas Nackenhärchen stellten sich auf. Ihr Innerstes verkrampfte sich. War es denn tatsächlich klug von ihr, den Club aufzusuchen?
Im Schutz des nächstgelegenen Gebäudes blieb sie stehen. Sie verharrte in den düsteren Schatten, als läge sie auf der Lauer. Leicht beugte sie die Knie. Wie eine Katze, bereit zum nächsten Sprung. Aufmerksam hielt sie den Blick auf das Heim der Vampire gerichtet, nur darauf wartend, dass etwas geschah.
Aber es geschah rein gar nichts.
Fenster und Türen blieben verschlossen. Niemand ging hinein oder hinaus oder kam auch nur in die Nähe des Clubs. Das erschien Isabella eigenartig.
„Du bist ein Hasenfuß!“, schimpfte sie sich. „Geh endlich!“
Nach einem weiteren Durchatmen trat sie wieder aus den Schatten auf die offene Straße. Die Stille, die momentan herrschte, erdrückte sie. Dennoch setzte sie ihren Weg fort. Das düstere Gebäude zog sie immer mehr in seinen Bann. Es verlangte nach ihr. Bis sie schließlich ihre Hand auf den Türgriff legte, um sich Eintritt zu verschaffen.
Ein warmer Luftzug strich über ihr rechtes Ohr. Das Gefühl, jemand stünde direkt neben ihr, überwältigte sie. Sie zuckte zusammen, ging halb zu Boden und starrte hinauf ins Nichts. Lediglich ein Flüstern konnte sie hören.
„Geh nicht“, sagte es. „Bleib hier draußen in Sicherheit.“
~~~
Der Düstere befand sich in einem Zustand, den er sich bei Weitem nicht selbst erklären konnte. Er stand unter Schock. Ein heftiger Schmerz pochte in seiner Brust, als wollte sein Herz mit aller Gewalt wieder anfangen zu schlagen.
Er hatte nicht ahnen können, welche Ereignisse in seiner einstigen Heimatstadt Brüssel auf ihn einstürzten. Hätte er es geahnt, wäre er womöglich in seinem Versteck in London geblieben, um das Ende seiner Tage herbeizusehnen. Nun wusste er aber, dass es an der Zeit war, aus den Schatten zu treten.
Der „Club Noir“ drohte dem gierigen Schlund der dunklen Macht anheimzufallen. Pierre hatte den Blut-Dolch der Ältesten in seinen Besitz gebracht. Diese Waffe allein würde zwar nicht ausreichen, um sich zum Herrscher über Leben und Tod aufzuschwingen. Das Auftauchen einer ganz bestimmten Person beunruhigte den Düsteren jedoch. Sie könnte Pierres Schlüssel sein.
Wie hatte das nur geschehen können?
Und wo – zur Hölle – steckte Andrew?
Ein Krampf zog sich durch den Brustkorb des Düsteren. Sein Atem stockte. Schwerfällig sog er die Luft ein.
Das Mädchen glich ihrer Mutter aufs Haar – mit ihren langen schwarzen Locken und der bronzefarbenen Samthaut.
In all den Jahren hatte er sie kein einziges Mal gesehen und sie trotzdem im ersten Moment erkannt. Längst vergessener Kummer holte ihn ein. Er verfluchte sich dafür, dass sie an diesem Ort aufeinandertrafen. Dass er die Schuld daran trug und sich ihr jetzt noch nicht zeigen konnte, so sehr es ihm auch danach verlangte. Er musste warten und sie ihrer Wege gehen lassen.
Wie gern wäre der Düstere geblieben, um herauszufinden, aus welchem Grund das Mädchen den Club
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