Blutnebel
nicht hilflos, denn sie war so klug gewesen, die Polizei zu rufen.
Was zumindest einen Teil der Story bestätigte, die ihnen Sanders erzählt hatte.
»Und was genau hat Uetz dann unternommen?«
Redmond kratzte sich das glatte Kinn, das er vermutlich höchstens einmal die Woche rasieren musste. »Na ja, er hat sich in der Umgebung umgehört, das weiß ich noch. Wir haben zwei Nichtsnutze hier im Ort, die zu einer Gratis-Peepshow nicht Nein sagen, wenn sie eine kriegen können. Aber keiner von denen hat je mehr getan, als zu glotzen, soweit ich gehört habe, und Elwin hat mit beiden gesprochen. Er ist der Sache richtig auf den Grund gegangen, aber es ist rein gar nichts dabei herausgekommen. Es kann niemand anfechten, wenn ein Mann behauptet, dass er mitten in der Nacht im Bett gelegen hat. Elwin hat vermutet, dass einer von ihnen übermütig geworden ist, als er gesehen hat, dass das Fenster einen Spaltbreit offen stand, und versucht hat, einzudringen. Das passiert manchmal, wissen Sie?« Die Stimme des Officers wurde ernst. »Die Leute glauben immer, Spanner wären harmlos, aber im Officer’s Quarterly war letztes Jahr ein Artikel, in dem es hieß, dass manche Vergewaltiger so anfangen. Also könnte es sein, dass einer der Spanner es weiter getrieben hat. Und dann hat er Angst gekriegt, als die Frost aufgewacht ist.«
»Hat es seither noch ähnliche Anzeigen gegeben?« Als Redmond die Stirn runzelte, fuhr sie fort: »Wenn einer von ihnen weiter gehen wollte, hätte er es ja wahrscheinlich noch mal versucht.«
Das gab Redmond zu denken. »Nei-i-in«, antwortete er gedehnt. »Kann ich nicht bestätigen. Aber Uetz ist nicht weit gekommen mit seinen Ermittlungen über den Unbekannten, den Frost angeblich ein paarmal gesehen hat. Und ein paar Wochen später ist sie weggezogen, also kam nichts mehr nach.«
Langsam verarbeitete Ramsey die Information. Man konnte nicht sagen, ob der Vorfall mit dem Mord an Cassie zusammenhing, der zwei Wochen später geschehen war. Doch es war zumindest ein bemerkenswerter Zufall. Sie hatte Zufälle noch nie leiden können.
Andererseits passte die Beschreibung, die Cassie abgegeben hatte, absolut nicht auf Quinn Sanders. Falls der Typ jemanden angeheuert hatte, der Cassie umbringen sollte, wäre der Betreffende dann dumm genug, sie vorher anzusprechen? Und hätte sich dabei erwischen lassen, wie er sie beobachtete? Und was für eine Verbindung hatte der Mann zu Spring County? Denn derjenige, der Cassie Frost ermordet hatte, hatte sich in den Wäldern und am Ashton’s Pond bestens ausgekannt.
Da hier mit Sicherheit keine Antworten auf diese speziellen Fragen zu finden waren, rollte Ramsey die Kopie aus dem Polizeibericht locker zusammen und wies damit auf den Mann. »Danke für das hier. Ich habe noch einiges zu erledigen, also mache ich mich lieber auf den Weg.« Sie wandte sich zum Gehen. Doch Redmonds Stimme hielt sie auf, ehe sie bis zur Tür gekommen war.
»Ms Clark?«
Sie wandte sich um und warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. Officer Redmond sah sich hektisch nach beiden Seiten um, als fürchtete er in dem leeren Büro neugierige Zuhörer. »Vielleicht könnten Sie mir netterweise anvertrauen, wie man an Adam Raiker rankommt.« Er grinste verlegen. »Ich hab alles über ihn gelesen, schon seit ich ein kleiner Steppke war. Hab mir Einzelheiten über Verbrechen gemerkt, so wie andere Jungs sich Baseballergebnisse einprägen.« Er sah sie mit hoffnungsvoller Miene an. »Es ist schon immer mein Traum gewesen, eines Tages mit einem der Besten zusammenzuarbeiten, so wie Sie.«
»Man bewirbt sich nicht bei Raiker«, erklärte sie ihm schonungslos. »Er nimmt keine Bewerbungen entgegen. Er sucht sich die Leute selbst aus.« Es verwunderte sie immer noch, dass sie ihm aufgefallen war und er sie zu sich gebeten hatte, und noch viel mehr, dass er sie für würdig erachtet hatte, in sein Team aufgenommen zu werden. Raikers Maßstäbe waren so legendär wie sein Hintergrund.
Als sie Redmonds enttäuschte Miene sah, zögerte sie kurz, ehe sie mit besonderer Freundlichkeit, wie sie sie nur selten an den Tag legte, weitersprach. »Am besten machen Sie ihn auf sich aufmerksam, indem Sie auf Ihrem Gebiet herausragende Arbeit leisten. Makellose Polizeiarbeit. Ein außerordentlich guter Ruf. So etwas sticht ihm ins Auge.« Das und eine frappierende Intuition, die ihm Einblick in die tiefsten, dunkelsten Geheimnisse seiner Mitarbeiter gewährte. Ein Einblick, der ihr in seiner Gegenwart
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