Blutnebel
wenn die Nagelspitzen so lackiert sind?«
»Das ist eine French Manicure«, antwortete sie abwesend. »Wahrscheinlich in einem Nagelstudio gemacht. Mann, sehen Sie sich nur an, wie viele Bruchstellen sie hat. Hat sie Gräben ausgehoben?« Ohne Luft zu holen, kehrte sie zu ihrer Betrachtung zurück. »Natürlich kann ich es nicht mit Gewissheit behaupten, weil es auch viele Frauen selbst machen. Aber sehen Sie das hier?« Sie fuhr eine Linie an einem Nagel nach. »Es braucht schon Routine, um die Smile-Linie an jedem Finger so perfekt hinzukriegen. Ist richtig schwer, es selbst zu machen. Wenn ich raten soll, würde ich sagen, es ist in einem Nagelstudio gemacht worden.«
Falls diese Aussage Ramsey irgendwie berührte, so zeigte sie es zumindest nicht. Mit ruhiger Stimme stellte sie ihre nächste Frage. »Kann man einschätzen, wie lange es her ist, dass es gemacht wurde?«
Leanne sog die Unterlippe ein, eine Gewohnheit, die Dev schon seit ihrer gemeinsamen Kindergartenzeit von ihr kannte. »Vermutlich innerhalb der letzten Woche oder der letzten anderthalb Wochen. Sehen Sie den farblosen Lack, den sie auf den Nägeln hat? Er ist noch nicht weit rausgewachsen, was heißt, dass es noch nicht allzu lange her sein kann.«
Sie gab Ramsey die Bilder zurück, worauf diese die Blätter faltete und einsteckte. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, Leanne.«
»Das will ich hoffen.« Sie lächelte breit. »Wenn nämlich alles vorbei ist, werd ich Sie gnadenlos über die ganze Geschichte ausquetschen. Jetzt dürfen Sie ja wahrscheinlich nichts sagen.«
Dev bemerkte die Erleichterung, die sich auf Ramseys Gesicht abzeichnete. Er war selbst ein wenig erstaunt über Leannes Zurückhaltung. Die Frau hatte viele bewundernswerte Eigenschaften, doch Geduld zählte nicht dazu.
»Nein, das darf ich nicht. Aber Sie waren mir eine große Hilfe. Vielen Dank.«
Als sich Ramsey umwandte, wäre sie fast mit Dev zusammengestoßen, der sich noch näher herangedrängt hatte, um die Bilder besser sehen zu können.
»Sie kommen mir andauernd in die Quere«, knurrte sie in einem ganz anderen Ton als gegenüber Leanne. »Müssen Sie keine Geister jagen?«
»Ich hab meine Quote schon gestern Abend erfüllt«, erwiderte er ironisch. »Wär ja auch unsportlich von mir, wenn ich nicht ein paar für den nächsten Geisterjäger übrig lassen würde, der daherkommt.«
Sie eilte an ihm vorbei, und da er sich keine Gelegenheit entgehen lassen wollte, drehte er sich um, um ihren Abgang zu verfolgen. Und, so bemerkte er anerkennend, der Anblick lohnte sich wirklich. Die enge schwarze Hose brachte ihre schmalen Hüften und ihre langen Beine bestens zur Geltung.
»Dev.« Leanne packte seinen Arm und schüttelte ihn, woraufhin er sich ihr widerwillig zuwandte. »Weißt du, was ich gerade getan habe?« Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie mit unterdrücktem Jubel in der Stimme fort: »Ich habe gerade bei Ermittlungen in einem Mordfall geholfen.«
»Na, na, Leanne«, sagte er warnend.
»Ich weiß, ich weiß.« Sie hob die gefalteten Hände an die Lippen, und ihre braunen Augen funkelten. »Aber das waren doch garantiert Bilder von dem armen Mädchen, das sie letzte Woche im Ashton’s Pond gefunden haben, oder nicht? Ich meine, deswegen ist Ramsey ja überhaupt erst hierhergekommen, also liegt es doch auf der Hand.«
»Schon möglich«, räumte er ein, obwohl es ziemlich sicher stimmte. »Aber das hier ist keine deiner Fernsehserien, also bleib bloß auf dem Teppich.«
Sie stupste ihn mit der Lässigkeit einer Frau an, die ihn schon ihr ganzes Leben lang kannte. »Wenn das hier eine Folge von CSI wäre, wäre der Fall in fünfunddreißig Minuten gelöst. Aber nur weil ich mir gern solche Serien anschaue, heißt das nicht, dass ich naive Vorstellungen davon hätte, wie solche Sachen in Wirklichkeit ablaufen.« Leanne nickte in die Richtung, in der Ramsey verschwunden war. »Zum Beispiel weiß ich ein paar Dinge über diesen Laden, für den sie arbeitet. Raiker Forensics. Ich wette, ich weiß mehr als du.«
Eigentlich wollte er nicht zugeben, dass ihre Worte großes Interesse bei ihm weckten. »Woher willst du denn etwas darüber wissen?«
»Es kam erst letztes Jahr was darüber in Primetime: Crime. « Als ein Klingeln ertönte, wand sie sich an ihm vorbei, um zu sehen, wer in den Laden gekommen war, ehe sie erneut das Wort an ihn richtete. »Dieser Raiker war mal einer der Top-Profiler des FBI. Sie haben die ganzen berühmten Fälle erwähnt, an
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