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Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte.
    Doch Ramsey war mit den ihr zugewiesenen Aufgaben zufrieden, abgesehen von dem bodenlosen Haufen von ViCAP-Ergebnissen. Sie hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass die unbekannte Substanz in Cassie Frosts Magen eine zentrale Rolle spielte.
    Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie, wenn sie wussten, was es war, den direkten Weg zu Cassies Mörder gefunden hatten.
    Nachdem sie sich bei Jonesy nach seinen Fortschritten beim Untersuchen der Fasern aus Cassie Frosts Wohnung erkundigt und eine grimmig geknurrte Antwort erhalten hatte, stieg Ramsey ins Auto. Sie konnte Tammy Wallace, die Besitzerin des Nagelstudios, das Cassie besucht hatte, ja von unterwegs aus anrufen.
    Die Frau klang gehetzt, als sie sich meldete. Ramsey überlegte kurz, wie gestresst jemand sein konnte, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, den ganzen Tag lang Fingernägel zu lackieren, ehe sie begann.
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass Cassie jemals jemanden erwähnt hätte, der sie belästigt hat«, antwortete Tammy auf Ramseys erste Frage. »Ich glaube, ich habe Ihnen schon gesagt, dass sie nicht viel Persönliches erzählt hat. Ich wusste nicht einmal genau, wo sie gewohnt hat.«
    »Dann hat sie also auch ihren Exverlobten nie erwähnt?«
    Schweigen am anderen Ende. »War es ein Verlobter?« In ihrer Stimme schwang Mitleid mit. »Ich hatte das Gefühl, dass ihr jemand sehr wehgetan hat. Dass sie eine gewisse Zeit gebraucht hat, um sich davon zu erholen, wissen Sie? Aber sie hat nicht den Eindruck gemacht, als ob sie Angst hätte oder so. Sie war nur irgendwie … traurig, würde ich sagen.«
    Ramsey blieb am Ende der Motelzufahrt stehen und wartete, bis vier Wagen die Durchgangsstraße passiert hatten, ehe sie einscherte. Damit war die morgendliche Stoßzeit von Buffalo Springs vorüber. »Hat sie je von ihrer Schwester gesprochen?«
    Erneut trat kurzes Schweigen ein. Ramsey wusste, dass sie die Frau überrascht hatte. »Nei-ein«, zog sie das Wort in die Länge. »Wenn ich hätte raten müssen, hätte ich gesagt, sie hat keine. Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass sie, glaub ich, gesagt hat, sie hätte keine Familie. Das ist doch seltsam, oder?«
    Eigentlich nicht, hätte Ramsey ihr sagen können. Sie verlor ja über ihre auch kein Wort. Vermutlich hatte sich Cassie nach Kräften darum bemüht zu vergessen, dass sie je eine Schwester gehabt hatte. Sie war von den zwei Menschen, denen sie auf der ganzen Welt wohl am meisten vertraut hatte, auf die intimste Weise betrogen worden, die man sich denken kann.
    Das Leben konnte sehr grausam sein.
    »Hat irgendeine andere Mitarbeiterin aus Ihrem Studio mal mit ihr gesprochen? Ihr vielleicht die Nägel gemacht?«
    »Oh nein.« Ramsey hörte Tammy an, dass sie ins Fettnäpfchen getreten war. »Sie war meine Kundin, und keine andere hätte ihr die Nägel gemacht. Aber sie hat sich einmal hier die Haare schneiden lassen. Wenn Sie mir einen Moment Zeit lassen, kann ich fragen, wer sie ihr geschnitten hat, falls Sie die Betreffende sprechen möchten.«
    Ramsey willigte ein und fuhr langsam weiter nach Buffalo Springs hinein. Wenn man Kleinstädte mochte, war es ein ganz hübscher Ort. Die Straßen waren breit und von Läden flankiert, von denen die meisten noch in Betrieb waren. Manche Häuser hatten moderne Fassaden, aber andere, wie das Museum, waren ihrem Originalzustand entsprechend restauriert worden, sodass sie aussahen wie aus dem vorletzten Jahrhundert.
    Vom Flag Day übrig gebliebene Flaggen säumten die Straßen, und mit Blumen bepflanzte Fässer standen auf den Gehwegen vor den Geschäften und quollen über vor bunten Blüten. Wo sie auch hinsah, standen Grüppchen von Leuten plaudernd beisammen.
    Drei ältere Männer saßen auf einer Bank vor einem Friseurladen, der noch eine altmodische gestreifte Säule vor dem Laden stehen hatte. Kinder fuhren auf Fahrrädern die Straße hinab, ohne groß auf Gegenverkehr zu achten. Ein kleines Grüppchen von Leuten stand vor der Autowerkstatt beisammen, während ein anderes auf den Stufen vor dem Postamt palaverte. Die meisten hoben freundlich die Hand, als sie vorbeifuhr, wie es typisch für Kleinstadtbewohner war. Entweder sie kannten einen oder würden einen bald kennenlernen. Die meisten hätten die Szene charmant gefunden. Freundlich.
    Doch die meisten hatten nie an einem Ort gelebt, der klein genug war für einen Vergleich. Die meisten hatten es nie erlebt, wie es war, an ähnlichen Grüppchen von Leuten vorbeizugehen.

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