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Blutnetz

Blutnetz

Titel: Blutnetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Justin Scott
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hinauf zum Balkon, als wollten Sie sich die Oper anhören. Steigen Sie dann weiter hinauf, und Sie werden zu einer kleinen Tür kommen. Klopfen Sie an, und man wird Sie hereinlassen.«
    »Einfach so?«
    »Für Chinesen gibt es nur zwei Arten von Menschen. Draußen die Fremden und drinnen Familie und Freunde.«
    »Aber ich bin ein Fremder.«
    »Sagen Sie, Sadie habe Sie geschickt. Dann sind Sie kein Fremder mehr.«
    Scully lächelte. »Demnach haben auch Sie mit dem Feuer gespielt.«
    »Nein«, erwiderte sie lachend und klopfte ihm auf die Schulter. »Gehen Sie nur. Aber ich kenne ein paar von den Mädchen.«
    Scully löste eine weitere Eintrittskarte, stieg zum Balkon hinauf, ließ die schrillen Schreie der Akteure auf der Bühne hinter sich, nahm die nächste Treppe in Angriff und klopfte schließlich an die Tür, die ihm beschrieben worden war. Er hörte, wie ein Spion geöffnet wurde, und zeigte das unsichere Grinsen eines Mannes, der sich auf fremdem und völlig unvertrautem Territorium bewegt. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und wurde durch eine Sicherheitskette gestoppt.
    »Was wollen Sie?«, fragte ein Chinese mit gedrungener Statur.
    Scully entdeckte den Griff eines Fleischerbeils, der aus seinem langen Hemd ragte. »Sadie schickt mich.«
    »Ah.« Der Wächter löste die Kette, öffnete die Tür und sagte ruhig: »Treten Sie ein.« Er deutete auf eine mit Teppich belegte Treppe, und John Scully stieg in eine dichte Wolke aus abgestandener Luft und süßlich riechendem Rauch hinauf.
    Beim ersten Blick in den großen Raum, der in goldenes Licht getaucht war, brauchte der Van-Dorn-Detektiv das namenlose Erstaunen eines Landeis nicht zu spielen. Der Raum hatte eine Baldachindecke aus dunkelrotem Tuch, und jeder Quadratzentimeter der Wände war mit Vorhängen, Wandteppichen und Seidentüchern bedeckt, auf denen Drachen, Berge und junge Tänzerinnen dargestellt wurden. Ausgestattet mit üppig verzierten Holzmöbeln und von farbigen Laternen erhellt, entsprach der Raum Scullys Vorstellung vom Thronsaal eines Pekinger Palastes. Was noch fehlte, waren lediglich ein paar Eunuchen, die Wache hielten.
    Bedrohlich aussehende Hip-Sing-Schläger in dunklen Straßenanzügen beaufsichtigten das Glücksrad, die Fan-Tan-Tische und die hübschen Mädchen, die den Kunden, die auf Sofas lagen, Opiumpfeifen brachten. Die Mädchen, die hautenge, bis zu den Knien geschlitzte Kleider trugen, waren weiß, wobei diejenigen, die dunkle Haare hatten, derart geschminkt waren, dass sie auf den ersten Blick wie Chinesinnen aussahen. Wie die Bordsteinschwalben ihm erklärt hatten, waren chinesische Frauen seltener als weiße Raben.
    Die Kunden, die in halb benommenem Zustand die Sofas besetzten, waren etwa zu gleichen Teilen Weiße und Asiaten. Er sah offenbar wohlhabende chinesische Kaufleute, einige in traditioneller Mandarintracht, andere in Straßenanzügen mit Derby- oder Strohhüten. Die weiße Kundschaft bestand aus Vertretern der höheren Einkommensklasse und reichen Collegeboys, die sich darauf verließen, ihre Spielschulden mit Hilfe der Scheckbücher ihrer Väter begleichen zu können. Am interessantesten von allen waren zwei potthässliche Gangster in engen Anzügen und grellbunten Krawatten, in denen Scully sofort Hell's Kitchen Gophers vermutete.
    Wie lange waren all diese Leute wohl schon hier? Er hatte stundenlang draußen gestanden und keinen Einzigen von ihnen hineingehen sehen. Offensichtlich gab es noch einen Eingang, der auf eine andere Straße führte als die Doyers Street. Er hatte anscheinend vor der Hintertür gewartet, während alle vorn hineingingen.
    Ein weißer Mann richtete sich auf seiner Couch auf, stülpte sich seinen Derbyhut auf den Kopf und schwang die Füße schwerfällig auf den Boden. Während er sich erhob, trafen sich ihre Blicke. Scully wäre beinahe das Kinn herabgefallen. Was zum Teufel hatte Harry Warren hier drin zu suchen?
    Beide Detektive wandten gleichzeitig und schnell den Blick ab.
    Hatte Harry etwa die gleichen Gerüchte gehört, die er zutage gefördert hatte? Nein, entschied Scully nach reiflicher Überlegung. Harry Warren musste die Gophers beschattet haben. Auf diese Art und Weise war er hierher gelangt. Der Banden-Experte wusste noch nichts von der Hip-Sing-Gopher-Allianz. Er war lediglich einem Gopher gefolgt und hier gelandet und hatte es bisher versäumt, zwei und zwei zusammenzuzählen. Scully war Harry und seinen sogenannten Experten um Meilen voraus, dachte er stolz. Noch

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