Blutnetz
lächelte ein wenig verlegen. »Verzeihen Sie meine Geheimnistuerei. Der Feind hat überall seine Spione.«
»Feind? Welcher Feind?«
»Tiffany and Company versuchen, die Turmalin-Lieferungen in San Diego aufzukaufen, weil Cixi, die Witwe des Kaisers von China - eine exzentrische Despotin mit dem gesamten Reichtum ihrer Familie im Rücken -, den pinkfarbenen Turmalin von San Diego liebt. Sie lässt Schnitzereien und Knöpfe und so weiter daraus herstellen - für sich. Als sie sich in pinkfarbene Turmaline verliebte, schuf sie einen völlig neuen Markt. Tiffany versucht ihn für sich zu erobern.« Er senkte die Stimme weiter. Bell beugte sich vor, um ihn besser zu verstehen. »Auf diese Art und Weise ergaben sich hervorragende Möglichkeiten für einen unabhängigen Juwelenhändler, der sich die besten Stücke sichern kann, bevor die Konkurrenz zum Zuge kommt. Im Juwelenhandel kämpft nun mal jeder gegen jeden, Mr Bell.« Er begleitete den letzten Satz mit einem Augenzwinkern, so dass sich Bell nicht sicher war, ob er ihn ernst gemeint hatte.
»Ich habe keine Ahnung vom Juwelengeschäft.«
»Ein Detektiv kommt doch Sicherlich ab und zu mit Diamanten in Berührung, wenn auch zumeist nur mit gestohlenen.«
Bell musterte ihn wachsam. »Woher wissen Sie, dass ich Detektiv bin?«
Riker zuckte die Achseln. »Wenn ich mich bereit erkläre, einen bestimmten Edelstein zu suchen, ziehe ich zuerst Erkundigungen ein, ob sich der Kunde einen solchen Stein leisten kann oder sich nur wünscht, es zu können.«
»Detektive sind nicht reich.«
»Diejenigen, die ein Bostoner Bankvermögen erben, sind es schon, Mr Bell. Verzeihen Sie mir, wenn ich ein wenig in Ihre Privatsphäre eingedrungen bin, aber ich glaube, dass Sie verstehen: Das Sammeln von Informationen über meine Kunden ist ein wichtiger Teil meines Geschäfts. Ich habe ein kleines Unternehmen. Darum kann ich es mir nicht leisten, wochenlang hinter einem Stein herzujagen, und dies für einen Kunden, bei dem sich schließlich herausstellt, dass seine Augen größer sind als seine Taschen.«
»Ich verstehe«, sagte Bell. »Ich nehme an, Sie verstehen auch, weshalb ich es nicht herumposaune?«
»Natürlich, Sir. Ihre Geheimnisse sind bei mir sicher. Obgleich ich mich fragte, als ich erfuhr, wer Sie sind, wie ein erfolgreicher Detektiv es schaffen mag, sich aus dem Scheinwerferlicht herauszuhalten.«
»Indem er Kameras und Porträtmaler meidet.«
»Aber man kann doch wohl von einer Notwendigkeit ausgehen - je mehr Kriminelle Sie zur Strecke bringen, desto berühmter werden Sie.«
»Aber hoffentlich«, sagte Bell, »nur bei den Kriminellen, die hinter Gittern sitzen.«
Riker lachte. »Gut ausgedrückt, Sir. Doch ich glaube, ich rede zu viel. Der Kellner wartet bereits. Wir müssen bestellen.«
Hinter sich hörte Bell, wie Arnold Bennett seine Stimme erhob. »Dies ist das erste Mal, dass ich in einem Eisenbahnzug á la carte diniert habe. Ein exzellentes Dinner, perfekt und zuvorkommend serviert. Der Hammelbraten war ganz großartig!«
»Das ist doch eine Empfehlung«, sagte Riker. »Vielleicht sollten Sie den Hammelbraten bestellen.«
»Ich habe noch nie einen Engländer getroffen, der Ahnung von guter Küche hatte«, erwiderte Bell und fragte den Kellner: »Haben wir noch Heringssaison?«
»Ja, Sir. Wie möchten Sie ihn haben?«
»Gegrillt. Und darf ich von dem Rogen etwas fürs Frühstück reservieren lassen?«
»Heute Nacht wird der Speisewagen gewechselt, Sir. In Elkhart wird umgehängt. Aber ich gebe dem Pullman- Schaffner eine Portion auf Eis.«
»Geben Sie ihm zwei Portionen«, sagte Riker. »Hering heute Abend, Heringskaviar morgen früh. Was meinen Sie, Bell, sollen wir eine Flasche Rheinwein köpfen?«
Nachdem sich der Kellner zurückgezogen hatte, sagte Bell: »Ihr Englisch ist bemerkenswert gut. Als hätten Sie Ihr ganzes Leben nichts anderes gesprochen.«
Riker lachte. »Sie haben es mir in Eton eingebläut. Mein Vater hat mich nach England auf eine Privatschule geschickt. Er meinte, ich würde im Geschäftlichen erfolgreicher werden, wenn ich mich nicht nur mit unseren deutschen Landsleuten unterhalten könne. Aber verraten Sie mir eins - da wir gerade von Vätern reden wie haben Sie es geschafft, sich aus dem Bankgeschäft Ihrer Familie herauszuhalten?«
Da er aus den Van-Dorn-Berichten wusste, dass Rikers Vater während des Burenkrieges gefallen war, antwortete Bell bewusst indirekt, um ihn aus der Reserve zu locken. »Mein Vater war und ist
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