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Blutnetz

Blutnetz

Titel: Blutnetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Justin Scott
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Handlungsreisende, wie es so blumig heißt. Wir verkaufen. Ich liefere den amerikanischen Juwelieren Edelsteine. Und Mr Shafer vertritt einen Orgelbauer aus Leipzig. Habe ich das richtig ausgedrückt, Sir?«
    »Korrekt!«, bellte Shafer. »Zuerst verkaufe ich. Dann schickt die Firma deutsche Arbeiter mit den Orgeln zum Käufer, wo sie die Instrumente zusammensetzen. Sie wissen am besten, wie man die besten Orgeln baut.«
    »Kirchenorgeln?«, fragte Bell.
    »Orgeln für Kirchen, Konzertsäle, Sportstadien, Universitäten. Wissen Sie, deutsche Orgeln sind die besten der Welt. Weil deutsche Musik die beste der Welt ist. Das ist nun mal so.«
    »Spielen Sie selbst Orgel?«
    »Nein, nein, nein. Ich verkaufe sie nur.«
    »Wie«, fragte Isaac Bell, »wie wurde aus einem Kavallerieoffizier ein Handlungsreisender?«
    »Was? Welcher Kavallerieoffizier?« Shafer sah zu Riker hin, dann richtete er den Blick wieder auf Bell, während sich seine Miene verhärtete. »Was meinen Sie, Sir?«
    »Mir ist aufgefallen, dass Ihre Hände von den Zügeln voller Schwielen sind«, antwortete Bell mit dem Anflug eines Lächelns. »Und Sie halten und bewegen sich wie ein Soldat. Finden Sie nicht auch, Riker?«
    »Und er sitzt auch so.«
    »Ah?« Eine helle Röte stieg an Shafers Hals auf und breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ja«, sagte er. »Natürlich. Ja, ich war früher Soldat, vor vielen Jahren.« Er hielt inne und betrachtete seine kräftigen Hände. »Natürlich reite ich noch immer, wenn mir meine neue Tätigkeit als Kaufmann Zeit dazu lässt. Entschuldigen Sie, ich komme gleich zurück.« Er machte Anstalten, sich eilig zu entfernen, hielt jedoch inne. »Soll ich beim Steward noch eine frische Runde Getränke bestellen?«
    »Gerne«, sagte Riker und unterdrückte ein Grinsen, bis Shafer die Tür der Herrentoilette hinter sich geschlossen hatte.
    »Rückblickend betrachtet«, sagte er, während sich sein Lächeln vertiefte, »erscheint mir mein Vater zunehmend als ein sehr weiser Mann - so wie Ihr Mark Twain es über seinen Vater auch gesagt hat. Dass mich mein Vater nach England in die Schule geschickt hat, war völlig richtig. Wir Deutschen fühlen uns in Gegenwart von Vertretern anderer Nationalitäten nicht besonders wohl. Wir prahlen gerne, ohne uns darüber klar zu sein, wie das auf andere wirkt.«
    »Ist es in Deutschland eigentlich üblich, dass Armeeoffiziere in einen anderen Beruf wechseln?«
    »Nein. Aber wer weiß, wann er aus dem Dienst ausgeschieden ist. Er ist eigentlich viel zu jung, um pensioniert worden zu sein, selbst bei halbem Sold. Vielleicht war er gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
    »Vielleicht«, sagte Bell.
    »Mir kommt es vor«, meinte Riker lächelnd, »als befanden Sie sich nicht auf einer Urlaubsreise. Oder arbeiten Detektive immer an irgendeinem Fall?«
    »Es kommt oft vor, dass die Fälle ineinander übergehen«, sagte Bell und fragte sich, ob Riker mit seiner Bemerkung bei ihm auf den Busch klopfen wollte oder ob es lediglich der harmlos kameradschaftliche Kommentar eines Mitreisenden war. »Zum Beispiel«, sagte er und achtete aufmerksam auf Rikers Reaktion, »habe ich, als ich in den Zug stieg, im Verlauf einer anderen Ermittlung erfahren, dass Sie häufig mit einer jungen Dame unterwegs sind, die man für Ihr Mündel hält.«
    »So ist es«, sagte Riker. »Sie haben ganz richtig gehört.«
    »Sie sind eigentlich viel zu jung, um ein Mündel zu haben.«
    »Das bin ich. Aber genauso, wie ich mich der Pflicht nicht entziehen konnte, die Verantwortung in der Firma meines Vaters zu übernehmen, konnte ich auch der Verpflichtung, ein Waisenkind aufzuziehen, als seine Familie von einer Tragödie heimgesucht wurde, nicht entfliehen. Der Zufall trifft gelegentlich gerade denjenigen, der besonders frei und ungebunden ist, Mr Bell ... und meistens dann, wenn er es am wenigsten erwartet. Aber ich will Ihnen eines sagen: Die Ereignisse, die wir nicht geplant haben, sind manchmal die besten, die uns je begegnen. Das Mädchen bringt Licht in mein Leben, in dem zuvor viel Dunkelheit herrschte.«
    »Wo ist sie zurzeit?«
    »In der Schule. Sie wird im Juni ihre Abschlussprüfling ablegen.« Über den Tisch hinweg richtete er den Zeigefinger auf Bell. »Ich hoffe, Sie können sie einmal kennenlernen. In diesem Sommer wird sie mich nach New York begleiten. Da sie in fast klösterlicher Abgeschiedenheit aufwuchs, bin ich daran interessiert, ihren Horizont zu erweitern, so gut es geht. Einen

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