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Blutnetz

Blutnetz

Titel: Blutnetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Justin Scott
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sie keine Fotografie von ihm besaßen, sondern nur die Beschreibung eines Wachtpostens von der U-Boot-Werft der Marine in Wilhelmshaven, hatte der Porträtzeichner den energischen Zug seines Kinns und seines Mundes sowie den harten, asketischen Ausdruck eines Mannes mit mehr Muskeln als Fett nahezu perfekt getroffen. Zum Glück passte die Beschreibung des blonden Haars und Schnurrbarts und der blauen Augen auf die meisten Männer in dieser Region Niedersachsens. Allerdings waren nur wenige genauso groß.
    Da die Vereinigten Staaten mittlerweile in den Weltkrieg eingegriffen hatten und ebenfalls gegen Deutschland kämpften, garantierte seine Kleidung - eine bunte Mischung verschiedener Uniformteile - und die Krücke, die ihn als verwundeten Veteran auswies, dass er auf der Stelle als Spion erschossen werden würde, falls man ihn schnappte. Außerdem konnte er auf Grund der Karte, die er von der neuen U-Boot-Werft gezeichnet hatte, kaum mit Gnade rechnen. Darauf wurden die erst in jüngster Zeit fertig gestellten U-Boote gewartet - sie waren unendlich viel leistungsfähiger als die alten Holland-Modelle und mit den schwersten Waffen ausgestattet. Überraschenderweise schienen sie den Deutschen nun zum Sieg zu verhelfen. Nur wäre die Karte nutzlos, bis sie der Sixth Battle Squadron Amerikas, die vor der Küste operierte, übergeben würde.
    Der Kanal war schmal, und das Schilf, das auf beiden Seiten angepflanzt worden war, um die Ufer vor Heckweilen passierender Schiffe zu schützen, verhinderte, dass sich der Nebel schnell verflüchtigte. Bell ruderte drei Kilometer weit bis Wilhelmshaven, ließ das Boot dann zurück, um sich an den Wachtposten des Marinestützpunkts vorbeizuschleichen, und stahl ein anderes Boot. Der Nebel erwies sich auf gewisse Art und Weise als sein Helfer, indem er sich, immer noch unbeständig, für kurze Momente lichtete und dann wieder - dank dichter Wolken Kohlenrauches von gut einhundert Kriegsschiffen - deutlich zunahm.
    Zurzeit herrschte Ebbe. Die Hafeneinfahrt hatte Niedrigwasser, und im Hafen drängten sich die Schornsteine und Masten der Kreuzer, Zerstörer und Großkampfschiffe der Hochseeflotte, die auf das Einsetzen der Flut warteten. Aber Torpedoboote mit geringem Tiefgang konnten den Hafen jederzeit verlassen, was bedeutete, dass Beils Schiff, das er für seine Flucht benötigte, klein genug sein musste, um aus eigener Kraft zu operieren, und dazu noch sehr schnell, was Schlepper, Frachtkähne, Barkassen und Fischerboote von vornherein ausschloss.
    Informationen, die von einem Van-Dorn-Agenten stammten, der abgetaucht war, als das Büro in Berlin beim Ausbruch des Krieges geschlossen wurde, wiesen auf ein erbeutetes fünfzig Fuß langes, in Italien gebautes und gepanzertes MAS-Motorboot hin. Bell hatte es bereits bei seiner Ankunft registriert, doch es war noch immer da und lag im Schatten eines Dreadnoughts.
    Er betete im Stillen um mehr Nebel, und seine Bitten wurden so schnell erhört, dass er nur einen kurzen Augenblick Zeit hatte, um eine Kompasspeilung für das MAS zu erhalten, ehe jedes Schiff im Hafen wieder bis zur Mastspitze verhüllt wurde. Er ruderte weiter, überprüfte mit Hilfe des Kompasses auf dem Sitz neben ihm mehrmals seinen Kurs und versuchte die Strömung in seine Berechnungen einzubeziehen. Aber ein fünfzig Fuß langes Ziel in knapp fünfhundert Metern Entfernung zu treffen war unter diesen Bedingungen unmöglich. Wie weit er danebenlag, merkte er in dem Moment, als er gegen den gepanzerten Rumpf des Dreadnoughts prallte.
    Die verschwommenen Umrisse von Zwölf-Zoll-Geschützen über ihm verrieten ihm, dass er sich in der Nähe des Bugs befand. Dann paddelte er leise am Schiff entlang, bis er das MAS fand. Er kletterte an Bord, vergewisserte sich, dass es unbemannt war, und machte alle Leinen bis auf eine einzige los. Dann inspizierte er die Maschinen, zwei bildschöne kompakte Benzinmotoren, wie er sie von den Italienern erwartet hatte. Er verschaffte sich Klarheit darüber, wie sie gestartet wurden, machte die Benzinpumpen betriebsfertig und band schließlich die letzte Leine los. Mit einem der Ruder bugsierte er das Boot von dem Dreadnought weg und wartete darauf, dass die Sonne den Nebel auflöste. In dem Moment, als er alles sehen und selbst gesehen werden konnte, startete er die Motoren, von denen jeder so laut war wie sein alter Locomobile.
    Als er die schmale Hafeneinfahrt erreicht hatte, wussten die Deutschen, dass irgendetwas im Gange war, wenn auch

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