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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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Dann gibt es auch noch die Arzte von Übersee und die Studenten, die noch keine anderen Stellen gefunden haben; und die Philologen, denen es ebenso geht. Eigentlich geht es dort wie überall zu, es gibt Gute, Schlechte und Gleichgültige.
    Janettas hohe Absätze kratzten über die Kacheln und hörten mit einem kleinen Geräusch auf. Ich bewunderte die polierten Böden, ob uneben oder nicht, als ob sie sagen wollten, »Hier stirbt niemand, oh nein«. Wir quatschten ein wenig. Sie fragte, wie es mir geht und ob meine Operation schmerzhaft gewesen war. Dabei verzog sie ihr Gesicht. Sie ging ein Stück zurück und zeigte mir einen faustgroßen blauen Fleck, den sie sich durch eine offenstehende Schublade am Schienbein zugezogen hatte.
    »Es ist gefährlich hier«, sagte ich. »Mit etwas Glück kannst du hier Leichen finden.«
    Sie lachte herzhaft, rollte ihren Kopf und sagte: »Verdammt, es ist kalt hier, nicht wahr?«
    Ich fragte nach der Dwyer-Akte und sie ging in den hinteren Teil des Raumes und nahm Akten von einem Drahtkorb hoch, der in der Nähe der Tür zum Labor stand. »Ich glaube, sie ist immer noch da hinten. Willst du hineingehen, Smokey? Ich glaube, Dr. Schafer-White hat sie.«
    Sie ließ mich per Druckknopf durch die Tür.
    »Frag’ Barney, okay?«
    »In Ordnung.«
    »Und unterschreib’ bitte, bevor du eine Kopie machst.«
    Einige Laserspezialisten kümmerten sich gerade um die Laserversuchsreihe und versuchten, ihn zum Laufen zu bringen. Ich sprach sie nicht an, weil ich sie nicht stören wollte. Ich ging durch einen Teil des Labors und sah mich nach Barney um. Ich fühlte mich ein bißchen komisch, so, als ob man in ein altes Klassenzimmer der Grundschule kommt. Sechs Wochen, die man nicht gearbeitet hat, können einem wie 10 Jahre vorkommen. Der Geruch von Formalin, Formaldehydgas vermischt mit Wasser, war heute besonders intensiv. Auf einer Bahre im Gang lagen zwei nackte Körper, die von draußen hineingeschoben worden waren. Ich schaute in einen der Arbeitsräume und bemerkte wahrscheinlich zum ersten Mal, daß die Holzstühle an den Arbeitstischen orange waren. Die Schränke waren auch orange, aber verblaßt und sicher aus einer Zeit, in der Orange County noch richtige Plantagen hatte. Im anfänglichen Enthusiasmus entschieden die Stadtväter, die orangefarbenen Straßenschilder aufzustellen mit weißen Buchstaben darauf, was eindeutig sicherstellte, daß sie nach einem Jahr Sonnenbestrahlung keiner mehr lesen konnte. Aber in der Stadt Orange gibt es sie heute noch. Ebenso wie zum erstenmal sah ich die sauberen, gelben Plastik-
    Oberflächen der Seziertische, die in der Mitte fast weiß geschrubbt waren. Und ich fühlte mich fehl am Platz und war mir nicht sicher, wo ich hingehörte, wahrscheinlich aber nicht hierhin.
    Ein großes, gesund aussehendes Mädchen mit roten Wangen und braunen, schulterlangen Haaren mit einer McDonalds-Tüte in der Hand kam durch die Hintertür. Der Geruch von Pommes frites kam mit ihr hinein. Sie sagte mir mit vollem Mund, daß Barney draußen sei. Ich ging vorbei an der großen Waage, natürlich orange, wo die Körper und Bahren zusammen gewogen werden. Das Gewicht der Bahre wird allerdings nachher wieder abgezogen. An der Wand war in roter Schrift geschrieben KOPF HIER, mit einem Pfeil, der nach unten zeigte.
    Als ich mich den Türen näherte, spiegelte sich mein Körper in der gelben Folie als flache Wellenbewegung. Draußen gibt es eine dreiwandige Duschkabine, um die Körper nach der Autopsie abzuwaschen oder für die Angestellten, für den Fall, daß sie etwas abbekommen. Obdachlose haben hier geduscht, bis das Management an der Einfahrt einen Zaun zog.
    Barney hatte sich mit einem orangefarbenen Stuhl an die Duschwand zurückgelehnt und hielt sein Gesicht in die Sonne. Sein Laborkittel verdeckte ein grünes Strickhemd und rock-washed Blue Jeans. Gummischuhe standen auf dem Betonboden neben ihm. »Barney, weißt du nicht, wie gefährlich ein Sonnenbad sein kann?« fragte ich.
    Er blinzelte zu mir herüber und ließ seinen Stuhl wieder nach vorne fallen. »Hey, Fremde, wie geht es dir?«
    »Oh, ganz gut. Ich will dich nicht lange stören, aber Janetta hat gesagt, daß ich dir eine Akte abluchsen kann.«
    »Die kannst du dir selbst holen. Es ist niemand da. Trag’ dich nur ein.« Normalerweise kommen die Akten direkt nach vorne, aber manchmal bleiben sie eine Weile in der Ablage eines Pathologen.
    »Ich denke gar nicht daran, dich von deinen Sonnenstrahlen

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