Blutorangen
Wertgegenstände, nein, alles, den Fernseher, die Gartengeräte, den Hyundai mitzunehmen.«
Joe hörte zu und rieb sich seine Wangen als ob er nach Bartstoppeln suchte. Er drehte sich zu mir, nickte und sagte: »Nicht schlecht.«
Und prompt stritten wir uns. Wir gingen in Richtung Westminster Municipal Court. Joe entschied, daß wir in der Nähe des Gerichtsgebäudes einen Kaffee trinken könnten, nachdem er noch etwas erledigt hatte. Ich fragte nicht, was es war, sondern folgte nur in meinem Auto.
Wir hatten den Streit schon auf dem Parkplatz begonnen. Er sagte, der Fall mit dem Doughnut-Laden wäre dem Dwyer-Fall ähnlich, und ich sagte, verdammt nochmal, nein. Als wir zu den breiten Gehwegen und dem Rasen bei dem Gebäude kamen, widersprach ich ihm ungerechterweise, denke ich, und sagte, daß sein Urteil so falsch ist, weil er sich gerade scheiden läßt. Ich wollte das Thema wieder auf die Scheidung bringen, damit ich einiges klarstellen konnte. »Du konzentrierst dich bestimmt darauf, wieviel du deiner Frau für den Rest deines Lebens zahlen mußt.« Ich mache nur Spaß, Chef.
Wir hatten nicht weit von einem großen Baum Halt gemacht, dessen kahle Zweige symmetrisch wie ein siebenarmiger Leuchter in den Himmel ragten, und unter dem Baum ohne Blätter sah ich einen Vogel, größer als ein Eichelhäher, aber kleiner als ein Falke, der einen Klumpen hinter sich herzog. Ich schaute mir den Vogel genauer an, um ihn zu identifizieren und dachte an die Spießente an meinem Balkon.
Joe sagte: »Das hat sich langsam entwickelt, Smokey. Jennifer kann sich selbst versorgen. Sie erwartet nichts von mir. Eigentlich haben wir uns schon vor längerer Zeit getrennt.«
»Ah, ja? Wie lange?«
»Drei Monate.«
»Du Schwein, du!«
»Was? Was ist los?«
Ich ging weiter. Die Sonne schien und ließ die Überreste des Nebels verschwinden, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob mir kalt oder warm war.
»Du hast mich im Krankenhaus nicht besucht, obwohl du es gekonnt hättest.«
Er sagte, er hätte es sowieso gekonnt, auch wenn er noch mit Jennifer zusammen gewesen wäre. Sie wäre wahrscheinlich sogar mitgekommen. »Ich dachte, du wolltest keine Besucher.«
»Du hattest recht. Danke. Danke, daß du mich nicht besucht hast. Das war sehr edel von dir. Ich sah fürchterlich aus. Ich habe mich am nächsten Morgen im Spiegel gesehen und wollte die Polizei anrufen.«
Er lachte, und wir kamen zum Portal des Gerichtsgebäudes. Ich entdeckte eine Bank und setzte mich. Ich war erstaunt, wie kalt sich die Bank durch meine Jeans anfühlte. »Ich warte hier«, sagte ich.
Er stand vor mir. »Ich dachte, es würde dich nur traurig machen, weil es doch eine bestimmte Operation war. Es tut mir leid.«
»Nicht alle Frauen bedauern diese Operation.«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Warum hast du mich letzte Woche geküßt?« Nur raus damit. Kein Versteckspiel mehr. So ein Macho. Ich wartete.
»Weil ich verrückt bin, denke ich«, sagte er. Mit einem tiefen Seufzer setzte er sich auf die Bank neben mich.
»Alle geschiedenen Männer sind verrückt. Mit ihnen gehe ich nicht aus.«
»Das ist sehr weise.«
»Auch meine Freunde nicht.«
»Gut«, sagte er und nickte langsam. Dann sagte er: »Smokey, ich entschuldige mich dafür, was im Büro passiert ist. Das kommt von Herzen, es tut mir leid. Ich war total durcheinander. Ich hatte eine schreckliche Woche hinter mir und eine noch schrecklichere vor mir. Nicht, daß ich nach Ausreden suche — vielleicht suche ich sie doch. Alles, was ich sagen kann ist, daß es mir leid tut.«
Ich ließ einen Moment verstreichen, bevor ich sagte: »Es gibt auch andere Wege, auf eine Frau zuzugehen, weißt du.«
»Nimmst du meine Entschuldigung nun an oder nicht?«
Der Vogel, den ich unter dem Baum gesehen hatte, war jetzt direkt in meinem Blickfeld. Als ich ihn näher betrachten konnte, flog er auf einen Ast und rief killy, killy, killy. Er hatte blaue Flügel und einen braunen Körper. »Das ist ein Turmfalke«, sagte ich.
»Was?«
»Der Vogel da drüben, siehst du, auf dem Ast. Eine Art kleiner Falke. Man nennt sie >amerikanische Turmfalken<. Ich überlege schon die ganze Zeit, was es für einer ist. Man erkennt ihn an den blauen Flügeln. Siehst du die blauen Flügel?«
»Woher weißt du das?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wollte ihm von der Spießente erzählen.
Er sagte: »Nehmen Sie meine Entschuldigung an, Mrs. Brandon?«
»In Ordnung«, sagte ich.
»Danke.«
Aus dem
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