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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ihrem linken Auge langsam wieder aufklarte und sie verschwommen sah; ihre Selbstheilungskräfte hatten sich in Gang gesetzt! Das erleichterte sie sehr.
    Die Unbekannte war auf den Balkon im ersten Stock gesprungen, schaute zu Justine hinauf, feuerte mit ihrer Pistole nach ihr und traf sie in die Schulter. In der anderen Hand hielt die Frau etwas, das wie eine externe Festplatte aussah.
    Justine machte durch den Schuss einen Schritt zurück, aber sie fing sich sofort wieder, lud ihre Waffen nach, flankte aus dem Fenster auf den Balkon und von dort auf den Rasen. Sie sah nun wieder vollkommen klar und spürte, wie das sich regenerierende Gewebe die Kugel aus ihrem Körper drückte.
    Etwa zwanzig Meter von ihr entfernt sprang die Frau in einen Wagen, einen gelben Opel Tigra, der unverzüglich losbrauste und auf Justine zuhielt.
    »Sans moi, mes amis.« Ans Ausweichen dachte sie nicht im Traum, und den kurzen Gedanken daran, dass sie vorsichtiger sein sollte, schob sie von sich. Lässig hob Justine beide Arme und richtete die Waffen auf die Fahrerseite, dann jagte sie dreißig Schüsse in rasender Folge auf den Tigra.
    Die Geschosse stanzten fingerdicke Löcher ins Sicherheitsglas, brachten es zum Splittern, so dass die Insassen nichts mehr von der Straße sehen konnten.
    Justine sprang auf die Motorhaube, stieß sich ab und feuerte dabei durch das Glas in den Innenraum. Sie machte einen Ausfallschritt auf das unter ihr vorbeirasende Wagendach und stieß sich ein weiteres Mal ab, um sich in der Luft um die eigene Mitte zu drehen. Dabei leerte sie den Rest der Magazine und schoss ohne Unterlass durch das Blechdach und durch die Heckscheibe. Schließlich landete sie auf dem Asphalt - ging aber nicht leicht in die Knie, um den Schwung abzufangen, sondern krachte auf den Boden wie ein ganz normaler Mensch. Mehr vor Wut als vor Schmerz brüllte sie los. Aber immerhin: Zweiundsiebzig Kugeln hatten das Auto durchsiebt und eine eindrucksvolle Spur über die Haube und das Dach gezogen. Der Tigra prallte, ohne abzubremsen, in einen geparkten Golf. Metall verbog sich kreischend, und die Schnauze des Wagens erinnerte an den gestauchten Korpus einer Ziehharmonika. Justine lud nach - klappernd fielen die leeren Magazine auf die Straße - und näherte sich, noch etwas humpelnd, dem Wagen, aus dessen Motorraum weißer Qualm aufstieg. Die Unbekannte hatte eine Wunde am Kopf, entweder von einem Projektil oder dem Aufprall. Der Airbag vor ihr war rot gesprenkelt. Sie versuchte desorientiert, die Tür zu öffnen und zu entkommen.
    »Bonjour«, sagte Justine, hob eine Pistole und richtete sie auf den Kopf der Frau. »Die Festplatte, Miststück!«
    Es knallte leise irgendwo links neben ihr, dann wurde Justine von mehreren Treffern in den Oberkörper durchgeschüttelt und fiel zu Boden.
    Zum Schmerz der Verletzungen kamen die Qualen der eigenen Regenerierungskräfte, die unverzüglich ihre Arbeit aufnahmen, um das Blei aus ihr zu drücken oder aufzulösen. Sie schrie und wälzte sich auf dem Asphalt; ihr menschlicher Körper kam nicht halb so gut mit Kugeln zurecht wie der einer Werwölfin.
    Ein Motorengeräusch näherte sich - und im nächsten Moment überrollte sie ein Geländewagen! Das tonnenschwere Gewicht brach ihren rechten Arm und beide Beine.
    Sie biss die Zähne fest aufeinander; es war besser, den Gegner denken zu lassen, sie sei tot. So musste sie von halb unter dem Wagen zusehen, wie zwei Beinpaare ausstiegen, zum Opel rannten, kräftige Arme die Verletzte herauszerrten und drei Beinpaare wieder einstiegen. Der Geländewagen rollte davon und ließ sie zurück.
    Justine erlaubte sich nun einen lauten, wütenden und vor allem langen Schmerzensschrei. Sie hoffte, dass ihre Selbstheilung schnell genug funktionierte, damit sie wenigstens wegkriechen konnte, bevor die Polizei erschien, die ein pflichtbewusster Nachbar sicher schon gerufen hatte. Die Pein steigerte sich, und sie schrie noch lauter; knackend richteten sich Justines Knochen und wuchsen zusammen, offene Wunden schlossen sich mit einem weichen, feuchten Geräusch, der Blutfluss stoppte. Ihren rechten Arm konnte sie bereits wieder bewegen.
    Früher war der Prozess schneller verlaufen, sie hatte nie lange Schmerzen spüren müssen. Das hatte sich geändert. Wieder brüllte sie wütend - und klang dabei zu ihrer großen Freude beinahe wie eine wahre Bestie.
     
XI. KAPITEL
8. November
Deutschland, Hamburg, Reesendamm 
    Alles schien sich zu wiederholen: Mira Hansen saß wie vor

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